: Sonderbehandlung auf dem Grünstreifen
Am 1. Mai kommt es traditionell zu Gewalt. Nicht nur von Seiten der linken Szene. Auch Polizisten langen hart zu
Ein Demoverbot, das die Gemüter erhitzt, ein Großaufgebot von 9.000 Polizisten und die von der Polizei angekündigte „niedrige Einsatzschwelle“ – insgesamt eine brisante Mischung, die schon in den vergangenen Jahren zu Gewalt am 1. Mai führte. Auch von Seiten der Polizei.
Die Beamten würden am 1.Mai „Straftaten und Gefahren schon im Ansatz“ begegnen, so Polizeipräsident Hagen Saberschinsky zur taz. Wie das konkret aussieht, will sich Wolfgang Wieland, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, „lieber gar nicht genau ausmalen“. Er befürchtet, dass Polizisten schon kleinere Personengruppen, die vor einer Kreuzberger Kneipe herumstehen, als „Ersatzveranstaltung“ werten und gegen sie in Aktion treten werden.
Auch im vergangenen Jahr war die Gewalt im Anschluss an die „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ nach Beobachtungen von Wolf-Dieter Narr, Politikprofessor an der Freien Universität, „eindeutig von der Polizei ausgegangen“.
Augenzeugen berichten außerdem von einem brutalen Vorgehen der Polizei: Einzelne am Boden liegende Demonstranten seien von teilweise mehreren Beamten noch getreten worden – in einem Fall sogar bis zur Ohnmacht. Auch dass ein Polizist mehrfach „den Kopf eines Menschen gegen einen Bauzaun schlug“, ist in Augenzeugenberichten festgehalten.
Besonders schwere Vorwürfe wurden gegen das mobile Einsatzkommando 6317 des Landeskriminalamts erhoben, das in Zivil unterwegs war. Beamte des Kommandos sollen einen Festgenommenen an einen abgelegenen Ort gefahren und dort zusammengeschlagen haben.
Schon bei der Festnahme langten sie zu – so viel geht aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gegen den heute 32 Jahre alten Altenpfleger hervor: Polizeiobermeister Hoffmann vom Kommando 6317 habe „ihn an seinem Kapuzenpulli zu Boden“ gerissen und „u. a. durch Faustschläge gegen den Angeklagten“ die Festnahme durchgesetzt.
„Abseits des Einsatzgeschehens“, heißt es in den Polizeiakten, sei der Beschuldigte dann durchsucht worden. Danach brachte man ihn erst einmal zu einer Notärztin, die zahlreiche Schwellungen und Verletzungen feststellte. Erst mehr als zweieinhalb Stunden nach der Festnahme erfolgte die Einlieferung im Polizeipräsidium.
Einziger Zeuge für die Vorwürfe gegen den jungen Mann ist Polizeiobermeister Hoffmann. Dieser will beobachtet haben, wie der Beschuldigte am 1. Mai vergangenen Jahres „ungezählte Steine in schneller Folge auf die Polizeibeamten“ geschleudert habe. Eine Aussage, die er später im Prozess jedoch relativierte: Die beworfenen Beamten waren zu weit weg, und den Angeklagten hatte er auch nicht immer im Blick. Seine Kollegen verweigerten vor Gericht teilweise sogar die Aussage – unter Berufung auf Paragraf 55 der Strafprozessordnung. Dieses Recht gilt aber nur, wenn sich Zeugen mit Angaben zur Sache belasten würden – also selbst straffällig geworden sind.
Der Vorfall aus dem letzten Jahr ist allerdings nicht das erste Mal, dass das LKA-Kommando 6317 unangenehm aufgefallen ist. Schon 1999 hatte die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus Gedächtnisprotokolle von Personen vorgelegt, die am 1. Mai 1999 von Zivilbeamten der Einheit festgenommen wurden.
Diese berichten, in einem Polizeifahrzeug sei einer von ihnen bis zur Erstickungsnot gewürgt worden. Zu einer „Sonderbehandlung“ hätten die Beamten ihn zu einem Grünstreifen gefahren, auf den Boden gedrückt, um auf ihn einzuschlagen und ihn zu treten. Der festnehmende Beamte in diesem Fall: Polizeiobermeister Hoffmann.
DIRK HEMPEL
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