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Der Kult des Ostens

Die billigste Kaffeemaschine der Welt und die „Trockenfee“: Eine Ausstellung zeigt Haushaltsgegenstände der ehemaligen DDR und betreibt Spurensicherung in Zeiten des Ost-Booms

von ANNE HANSEN

„Multiboy“, „Tiger 808“ und die „Trockenfee“: Was das sein soll? Die etwas desillusionierende Übersetzung: Entsafter, Staubsauger und Wäschetrockner.

Unter dem Titel „Haushaltsgeräte – Made in GDR“ werden im Hanseviertel noch bis zum 29. März rund 200 Ausstellungsstücke gezeigt, die das Leben in der ehemaligen DDR dokumentieren. Peter Prasatko, einer der Ausstellungsmacher aus Chemnitz, erklärt sein Anliegen: Normalerweise zeige man immer eine andere Seite der DDR. Eine soziale vielleicht. Und mit Sicherheit eine politische. „Aber wenn wir so etwas Banales wie Haushaltsgegenstände nicht zeigen würden, würde in der Geschichte der DDR ein weißer Fleck entstehen. Nur so kann man doch verstehen, wie die Leute wirklich gelebt haben.“

Und so hat Prasatko 1995 angefangen, die Gegenstände zu sammeln. Über einen Aufruf in den Medien schenkten ihm die Leute alles Mögliche, wenn es „nicht verscherbelt wird und einem guten Zweck dient“.

So kam er auch an die „billigste Kaffeemaschine der Welt“: Ein Teekessel, an dem ein Rohr montiert ist, an dessen Ende ein Filter befestigt ist. Darunter gehört dann nur noch eine Kaffeekanne.

Die Idee zu der Ausstellung kam Prasatko schon kurz nach der Wende. Müllberge häuften sich vor den Wohnungen, die Menschen im Osten kauften sich lauter neue Sachen – aus dem Westen. Einen „Multiboy“ oder die „billigste Kaffemaschine der Welt“ brauchte man da nicht mehr. „Ich dachte: Wenn das so weitergeht, weiß keiner mehr, dass es uns gegeben hat“, erklärt Prasatko. Er sammelte Gegenstände, die er fünf Jahre vorher noch benutzt hatte, zum Anschauen und Bestaunen.

Ein Jahr später konzipierte er zusammen mit dem „Förderzentrum pro Chemnitz“ eine Ausstellung, die seitdem in Deutschland unterwegs ist. Das Feedback war immer „wunderbar“. Nur am Anfang seien die Besucher im Osten „ziemlich reserviert“ gewesen, so Prasatko. Wahrscheinlich hatten sie die Wende noch nicht verkraftet, schließlich hätten sie sich etwas anderes vorgestellt und die Wünsche und Träume seien nicht erfüllt worden. „Und wahrscheinlich wollten sie nicht an die Zeit erinnert werden.“ Inzwischen ist aber „Ruhe eingezogen da drüben.“ Und eine „Ost-Welle“ überschwappt Deutschland. Die Menschen lesen „Zonenkinder“, sehen „Good bye Lenin“ und trinken Rotkäppchen-Sekt.

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