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Erfolg mit Ferkeltaxen

Seit die Bahn vor sieben Jahren die Strecke von Putlitz nach Pritzwalk stilllegte, fährt die Prignitzer Eisenbahn auf Erfolgskurs. Ende nächsten Jahres kommt sie auch nach Berlin

von CHRISTOPH VILLINGER

Zu viert fingen sie mit einem Schienenbus an. Zwei Lokführer, ein Schaffner und ein Verwaltungsexperte restaurierten liebevoll den alten Triebwagen, malten ihn blau-rot an, und los ging’s. Die Deutsche Bahn hatte im Herbst 1996 entschieden, die Eisenbahnverbindung von Putlitz nach Pritzwalk im Nordwesten Brandenburgs stillzulegen. Nach langen Verhandlungen erlaubte der damalige Chef der Bahn in Berlin-Brandenburg, Hans Leister, den vieren, die Strecke versuchsweise ein halbes Jahr als private Prignitzer Eisenbahn (PEG) weiterzubetreiben.

Matthias Kley von der PEG, der seit Sommer 1997 dabei ist, gerät noch heute richtig ins Schwärmen. Man richtete die Fahrpläne an den Schulzeiten und in Pritzwalk an den Anschlusszeiten für die Hauptstrecke der Bahn AG aus. Der Schaffner verkaufte außer Fahrkarten auch Kaffee und Süßigkeiten. „Und da Verbesserungsvorschläge der Fahrgäste im Zug direkt beim ‚Chef‘ landeten, konnten wir sie sofort umsetzen“, erinnert sich Kley. Von ihrem Erfolg, zuerst einer deutlichen Zunahme und später einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen, waren sie selbst überrascht. Ein Jahr später hatten sie schon drei Triebwagen im Einsatz und konnten von der Bahn AG weitere von Stilllegung bedrohte Strecken zwischen Neuruppin und Güstrow übernehmen. Da ihnen das Geld für neue Züge fehlte, kauften sie aus dem Westen insgesamt zwölf ausrangierte Schienenbusse, im Volksmund Ferkeltaxen genannt, und restaurierten sie. So konnten sie einen Stundentakt einführen. Der einheitlich blau-rote Außenanstrich wurde bald zu einem Markenzeichen in der Prignitz. Heute beschäftigt die PEG über 100 Mitarbeiter.

Innerhalb weniger Jahre ist die PEG zu einem der gefährlichsten Konkurrenten für den ehemaligen Monopolisten Bahn AG herangewachsen. Anfang Dezember erhielt die kleine private Eisenbahngesellschaft den Zuschlag der Verkehrsminister von Berlin und Brandenburg für vier weitere Regionalbahnstrecken im Nordosten Brandenburgs. Ab Dezember 2004 wird die PEG gemeinsam mit der Hamburger Hochbahn AG (HHA) für zehn Jahre auf 330 Kilometern zwischen Berlin, Eberswalde und Frankfurt (Oder) den Regionalbahnverkehr betreiben. Den Partner aus Hamburg holte sich die PEG einerseits aus Kapitalmangel mit ins Boot. Und andererseits, „um sich an den vielen bundesweiten Ausschreibungen beteiligen zu können“.

Zuvor hatte die PEG bereits allein eine Ausschreibung der Regionalbahnstrecken im Raum Duisburg und Oberhausen gewonnen. Zusammen mit der HHA will die PEG in Zukunft als Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (Odeg) auftreten, beide Partner besitzen je 50 Prozent der Anteile. „Jetzt müssen wir aber in die Hände spucken und uns der Aufgabe stellen“, kommentiert Kley den Zuschlag.

Ganz nebenbei entwickelte die kleine PEG-Werkstatt auch einen umweltpolitischen Clou, für den sie 2001 mit dem Deutschen Solarpreis ausgezeichnet wurden. Ihr gelang es, den Betrieb der Dieselmotoren der Schienenbusse auf reines Pflanzenöl umzustellen. Es handelt sich dabei nicht nur um einen nachwachsenden Rohstoff, beim Lagern und Tanken des Pflanzenöls treten auch keinerlei Verschmutzungsprobleme auf.

Zudem ist Pflanzenöl nicht nur wesentlich billiger, sondern auch der Verbrauch ist um 30 bis 50 Prozent niedriger als mit herkömmlichem Diesel. Ebenso gelang den Technikern der PEG bei zehn über 2.000 PS starken sowjetischen Diesellokomotiven die Umstellung auf Pflanzenöl – zumindest im Sommer. Sie ziehen nun im Auftrag der PEG schwere Güterzüge mit Baustoffen durch ganz Deutschland. Letztes Jahr gelang es den Technikern der PEG, den Einsatz des pflanzlichen Rohstoffs auch erfolgreich im neuen Triebwagen „Talent“ vom Eisenbahnhersteller Bombardier zu testen.

Doch ob sie diesen Triebwagen ab 2004 im Ostnetz einsetzen werden und andere Details möchte Kley von der PEG noch nicht verraten: „Da verhandeln wir noch mit verschiedenen Anbietern.“

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