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Zellen werden wieder heil

Manche nennen ihn „Dr. Scharlatan“. Für andere ist er ein Retter, und wieder andere kaufen seine Vitaminpräparate beim Dealer ihres Vertrauens: Am Mittwoch trat Dr. Rath im Tempodrom auf

von DETLEF KUHLBRODT

Der Text ist komisch. Die Schrifttypen passen nicht, und die Kampagne wirkt unter werbeästhetischen Gesichtspunkten eher trashig. Der solariumsgebräunte Mann mit den graumelierten Haaren stützt sein Kinn nachdenklich mit der linken Hand, als wäre er ein Schauspieler, der einen Arzt spielt. „Danke Dr. Rath!“ steht auf den komischen Plakaten. Es geht um Vitamine und wie vielen Menschen er geholfen habe. Das Buch von Dr. Rath heißt „Warum kennen Tiere keinen Herzinfarkt … aber wir Menschen“. Darin wird anschaulich gezeigt, wie das internationale Pharmakartell Erkenntnisse blockiert, damit das „Geschäft mit der Krankheit“ weitergehen kann.

Dr. Rath hat nämlich irgendwann entdeckt, dass nicht Organe, sondern Zellen erkranken, dass man die Zellen mit hochdosierten Vitaminpräparaten wieder heil machen kann und dass die teuren Produkte der Pharmaindustrie nichts taugen. Deshalb versuchen die Schurken der Pharmaindustrie, die Dr. Rath’schen Präparate weltweit unter Verschreibungspflicht zu stellen „und damit de fakto zu verbieten“, so Dr. Rath, der seine Sachen hierzulande via Internet und mit einer Art Tupperware-System vertreibt.

Dr. Rath ist in aller Munde. Ein Freund erzählt zum Beispiel, dass es bei seinem Dealer nicht nur Hasch, sondern auch Vitaminpräparate von Dr. Rath zu kaufen gebe. Manche nennen Dr. Rath „Dr. Scharlatan“. Für andere ist er der Retter. Sich selbst sieht er als furchtlosen Streiter gegen die menschenverachtende Pharmaindustrie, vor ihm die Entscheidungsschlacht, in der nur einer siegen kann. Er vergleicht sich mit Nelson Mandela, Martin Luther King oder gar, so berichtete ein Kollege über die Dr.-Rath-Tour vor zwei Jahren, mit Jesus.

Häufig schaltet er in der Süddeutschen und acht anderen großen westlichen Zeitungen (besonders gern in der New York Times) ganzseitige Anzeigen, die er mit die allgemeine Lage betreffenden Briefen füllt. Unterzeichnet sind sie mit „im Namen der Menschen der Erde: Dr. med. Matthias Rath“.

Im Juni übergab er dem Chefankläger des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag eine Klageschrift „wegen Völkermords und anderer Vebrechen gegen die Menschlichkeit, die im Zusammenhang mit dem ‚Pharmageschäft mit der Krankheit‘ sowie dem kürzlich geführten Krieg gegen den Irak begangen wurden“. Das konnte man in der Sonderausgabe der Zeitschrift Rath International lesen.

Die Gegner Dr. Raths geben keine Ruhe. Der Stromausfall in New York am 14. August etwa war eine gezielte Aktion gegen Dr. Matthias Rath (so Dr. Rath, so ein Bericht in der Deutschen Welle), der am gleichen Tag in der New York Times eine ganzseitige Anzeige schaltete. Darin wurden die Mitglieder der Vereinten Nationen dazu aufgerufen, einer von den USA eingereichten Irakresolution nicht zuzustimmen. Wegen des vermutlich von Bush in Auftrag gegebenen Blackouts hatten die Teilnehmer der UN-Vollversammlung nun jedoch keine Möglichkeit, sich von Raths Appell wachrütteln zu lassen.

Früher „The Jimi Hendrix Experience“, heute „Dr Rath Health Foundation, responsibility for health, peace and social justice“. Der Messias zu sein und zugleich Dr. Rath zu heißen, ist möglicherweise nicht einfach. Aber die internationale Ausprache seines Namens klingt dann wieder ganz gut.

Außerdem wirkt Dr. Rath auch ein bisschen wie ein Bollywoodfilm. Der Abend mit Dr. Rath im gut gefüllten Tempodrom war jedenfalls super. Anfangs gab es sanfte Musik und auf der Leinwand Bilder von begeisterten Besuchern seiner letzten Auftritte in Zürich und Wien.

Dann hielten Wissenschaftler der „Dr. Rath Health Foundation“ und andere Mitstreiter aus den unterschiedlichsten Ländern Reden; Menschen wie du und ich traten auf, denen die Rath’schen Präparate geholfen haben, Katja Ebstein war der Stargast, und nach anderthalb Stunden Vorgruppen – quasi – stand der Doktor am Mikrofon und erzählte, mit leicht amerikanischem Akzent, wie er wurde, was er nun ist.

Während er auf der Bühne auf und ab ging, erklärte er alles: dass Vitamine gesund sind, dass die Pharmaindustrie sie verbieten will und dass sie mit Bush, Blair et cetera unter einer Decke steckt, dass wir alle Teil der größten Befreiungsbewegung der Menschheit werden könnten, wenn wir nur unsere Freunde vom Fluch der Pharmaidustrie und dem Segen der Rath’schen Vitamine überzeugen würden. Ein bisschen brüchig wurde seine Argumentation zwar, als er den 11. September und den Irakkrieg der Pharmaindustrie anzulasten begann, ansonsten aber war alles super. Dr. Raths Kernsätze konnte man auf der Leinwand nachlesen. Werdet Gesundheitsberater! Baut euch eine neue Existenz auf!

Weniger Paranoia wäre zwar möglicherweise mehr gewesen, aber eigentlich war sein Auftritt ganz super. Die Zuschauer im Tempodrom schienen zufrieden. Nicht unbedingt jubelnd, aber wir sind ja auch hier in Berlin. Als kleines Dankeschön von Dr. Rath und taz wurde dieser Artikel übrigens mit vielen guten Vitaminen getränkt. Bitte rubbeln und einatmen, und los geht's mit der Gesundheit!

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