: Gegen die Sammelwut der USA
Mit großer Mehrheit verabschiedet das Europaparlament eine Resolution zum Flugdatenaustausch: EU-Kommission wird aufgefordert, in Washington eine Begrenzung der bisher unkontrollierten Weitergabe von Passagierangaben zu erreichen
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Innerhalb von zwei Monaten soll die Europäische Kommission mit den US-Behörden ein akzeptables Verfahren beim Umgang mit Passagierdaten aushandeln. Andernfalls droht ihr eine Klage beim Europäischen Gerichtshof. 445 Europaabgeordnete stimmten gestern in Brüssel für eine entsprechende Resolution, es gab nur 52 Gegenstimmen und Enthaltungen. Über die Parteigrenzen hinweg wächst die Sorge, dass im Sog des 11. September immer mehr Bürgerrechte über Bord geworfen werden.
„Ich finde es logisch, dass die US-Behörden wissen wollen, wer in ihr Land einreist“, sagt die grüne Niederländerin Kathalijne Buitenweg, die im Innenausschuss des EU-Parlaments sitzt. „Die Privatsphäre ist nicht unantastbar, aber die Rechtsgüter müssen gegeneinander abgewogen werden.“ Wenn, wie jetzt vereinbart, Passagierdaten an alle Stellen übermittelt werden dürften, die im weitesten Sinn mit Verbrechensbekämpfung befasst sind, dann sei niemand vor Missbrauch sicher. Es sei unmöglich zu kontrollieren, wann die Informationen gelöscht werden. Jeder müsse damit rechnen, dass seine Daten später zum Beispiel bei einer Bank oder einem Arbeitgeber auftauchen und verwendet werden.
Bereits im März warnte das Parlament in einer Entschließung vor den Folgen, wenn US-Behörden unkontrollierten Zugang zu Daten aus den elektronischen Buchungssystemen der Transatlantik-Flüge erhielten. Zuvor hatten die Fluggesellschaften Alarm geschlagen. Sie sitzen zwischen allen Stühlen, weil sie entweder europäische Datenschutz-Bestimmungen verletzen oder ihre Landerechte auf US-Flughäfen verlieren.
Die EU-Kommission versuchte daraufhin, die Sammelwut der Amerikaner zu bremsen. Die erklärten sich zu kleinen Zugeständnissen bereit: Statt wie ursprünglich geplant 20 Jahre wollen sie die Daten nur 6 bis 7 Jahre lang speichern. Damit will sich das EU-Parlament nicht zufrieden geben. Es verlangt, dass die Angaben nach der Ausreise gelöscht werden. Ferner sollen Fluggäste sich einverstanden erklären, dass die Daten weitergeleitet werden.
In seiner Resolution stellt das Parlament den Konflikt über die Passagierdaten in einen größeren Zusammenhang. Auch die engere Zusammenarbeit der US-Behörden mit Europol müsse daraufhin untersucht werden, ob sie mit den Grundrechten vereinbar sei. Problematisch sei auch der Plan, die Reisepässe künftig mit biometrischen Daten wie Fingerabdruck oder Irisstruktur zu versehen.
Anfang der Woche hatte Innenkommissar Antonio Vitorino vor dem Palament dargelegt, dass das Schengen-Informationssystem im Kampf gegen Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität mit biometri-schen Daten aufgerüstet werden solle. Das derzeitige System sei für eine erweiterte EU untauglich. Künftig werde es möglich sein, Daten zwischen den Mitgliedstaaten oder mit Europol direkt auszutauschen. Von Europol wäre es dann nur ein kurzer Weg in die US-Datenbanken. Parlamentarische Kontrolle ist nicht vorgesehen. „Die Verquickung von innerer und äußerer Sicherheit wirft weitreichende Fragen über das demokratische Ethos einer Union auf, die sich gerade um Staaten erweitert, deren Werte noch schwach entwickelt sind“, schreibt das Brüsseler Politikinstitut EPC zur Debatte über Datenaustausch.
Der für Binnenmarktfragen zuständige Kommissar Frits Bolkestein wird die Bedenken kommende Mittwoch in Washington persönlich vortragen. Die Resolution des Europaparlaments, sagt sein Sprecher, komme da genau zum richtigen Zeitpunkt.
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