: Merkel gegen Stoiber, Runde zwei
Die CDU-Vorsitzende weist die Kritik des CSU-Chefs am Herzog-Konzept höflich, aber doch irgendwie entschieden zurück
BERLIN taz ■ Die beiden Vorsitzenden der Schwesterparteien CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, üben sich in diesen Tagen in einer besonders ausgefeilten Kunst: dem Vertreten gegensätzlicher Positionen bei gleichzeitiger Umgehung eines öffentlichen Streits. Klingt kompliziert? Ist es auch.
Die eine (Merkel) will den Sozialstaat radikal umbauen, der andere (Stoiber) will das bestehende System weitgehend erhalten und höchstens hier und da ein wenig reformieren. Die eine (Merkel) ist eindeutig für das Konzept des Uraltpräsidenten Herzog, der andere (Stoiber) ist eindeutig dagegen. Was nun?
Irgendwann, möglichst rechtzeitig vor dem Wahlmarathon 2004, müssen sie sich einig werden. Vorerst aber tasten sie noch das Terrain ab. Beide verteidigten auch gestern ihre Positionen.
Merkel ist an der Basis unterwegs. Abend für Abend reist sie durch die Lande, um ihren CDU-Parteimitgliedern das Herzog-Konzept schmackhaft zu machen. Bisher recht erfolgreich. Auch am Mittwoch in Erfurt gab es viel Beifall für die Chefin. Jedoch häuften sich im Vergleich zu Düsseldorf am Dienstag deutlich die kritischen Nachfragen verunsicherter Basisleute. Denn auch die CDU-Mitglieder kriegen mit und wundern sich natürlich, warum der Chef der Schwesterpartei so vehement sein Veto einlegt gegen das Konzept, das sie meist noch gar nicht ganz durchlesen konnten, das ihnen aber von der eigenen Chefin leidenschaftlich angepriesen wird.
Viele in der CDU hatten sich zunächst vor allem gefreut, dass Merkel in ihrer Grundsatzrede zum Tag der Einheit endlich überhaupt mehr als drei Sätze von Belang zustande brachte, dass sie endlich eine Richtung vorgab. Nun aber – nach Stoibers Feststellung, das Herzog-Konzept sei „unsozial“ – beginnen die Zweifel, ob dieses Vorhaben wirklich mit den Grundsätzen der CDU vereinbar ist.
Klar doch, versicherte Merkel auch gestern, die Schaffung einer für alle Versicherten gleichen Kopfpauschale von 264 Euro werde nicht zu unsozialen Lösungen führen. Es werde ja einen Ausgleich durch das Steuersystem geben. „Darin kann ich nicht den Untergang des Sozialstaates sehen.“ Den Widerstand der CSU, die an der Koppelung der Krankenversicherung an die Löhne festhalten will, erwähnte Merkel nicht. Direkten Fragen nach dem Dissens mit Stoiber weicht sie bisher, so gut es geht, aus. Nur einmal, im ZDF, rutschte ihr eine Bemerkung heraus, die man als persönliche Attacke werten könnte. Stoibers Befürchtung, dass Kopfpauschalen Millionen Bittsteller erzeugen, sei „eine der falschen Aussagen, die immer wieder gemacht werden“. Die Ansprüche ärmerer Menschen über das Steuersystem würden „ganz automatisch“ erledigt, wenn es nach der CDU geht. „Da entsteht kein Bittstellertum.“ LUKAS WALLRAFF
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