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Schabernack auf dem Schulklo

Ist das Kondom gesundheitsfördernd, oder übt es etwa sexuellen Druck aus? Ein Berliner Bezirk möchte Kondomautomaten an Oberschulen aufstellen, die katholische Kirche sieht die jugendliche Unschuld und die wertorientierte Erziehung in Gefahr

aus Berlin RUDI NOVOTNY

Es waren nur ein paar Zeilen, die Stefan Wagner, Mitglied des Schulausschusses im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, in diesem Sommer in seinem Laptop tippte. Nichts Aufregendes, nur ein kleiner Antrag. Dachte er. „Das Teil umfasste drei Punkte. Unter anderem den Verkauf eines Schulgebäudes.“ Aber eben auch die Forderung nach Kondomautomaten an der Schule. Mittlerweile beschäftigen sich die Bild-Zeitung, die katholische Kirche und sogar ein japanisches Fernsehteam mit seinem Urlaubswerk. Was daran liegt, dass das Bezirksparlament Charlottenburg-Wilmersdorf Ende August tatsächlich einstimmig beschloss, zu prüfen, ob Kondomautomaten in „einzelnen Oberschulen und Jugendeinrichtungen des Bezirks aufgestellt werden können“.

Das störte zunächst keinen. Doch dann kam die katholische Kirche dahinter. Einen Monat später erklärte sie plötzlich, das Aufstellen von Kondomautomaten sei „kein Beitrag zu einer wertorientierten Sexualaufklärung“. Die Schüler könnten die Automaten als Aufforderung verstehen, sexuell aktiv zu werden.

Der Schulstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann, SPD, kann diese Haltung nicht verstehen: „Die ganze Sache läuft unter der Überschrift: Kondome schützen.“ Die katholische Kirche verwechsele Ursache und Wirkung. „Wir reagieren damit lediglich auf die Realität der Lebensverhältnisse von Jugendlichen, indem wir ein niedrigschwelliges Angebot schaffen.“ Schließlich hätten viele Jugendliche ein Problem damit, in den Supermarkt zu laufen und Kondome zu kaufen. Und in Kneipen gibt es Kondome häufig nur in der Männertoilette – wenn überhaupt.“

Ansichten, die auch der Landeselternausschuss teilt. „Ich sehe überhaupt nicht, was wir da dagegen haben sollen“, sagt André Schindler, Vorsitzender des Ausschusses, „das Kondom ist an sich ein positives, gesundheitsförderndes Produkt.“ Natürlich würden Jugendliche in der Pubertät sexuellen Druck aufeinander ausüben. „Da zieht einer ein Kondom aus der Tasche und erzählt ein paar Lügen über wilde Geschichten, die er angeblich erlebt hat.“ In diesem Fall könne ein Automat eher hilfreich sein, meint Schindler. „Da kann der, der angeblich weniger Erfahrung hat, einfach auf das Klo gehen, und sich auch ein Kondom holen und damit gleichziehen.“

Keine Probleme hat man mit den Kondomautomaten auch in der Senatsverwaltung für Bildung. „Das ist eine Sache der Bezirke, die die Träger der Schulen sind“, sagt Pressesprecher Thomas John, „aber wir haben keine grundsätzlichen Bedenken.“

Da sind andere Bundesländer rigoroser. Alexander Luckow, Pressesprecher der Bildungsbehörde in Hamburg: „Hamburg hat das nicht vor und wird das nie vorhaben.“ Kondome können man überall kaufen, außerdem würde mit ihnen nur „Schabernack getrieben“. Und drittens: „Die Schule ist nicht der Ort, an dem das gemacht wird, wofür man das Kondom braucht.“

Vielleicht würde ein Blick in die Integrierte Gesamtschule Holweide helfen. Denn in dieser Kölner Stadtteilschule ist der Kondomautomat auf dem Klo schon Realität geworden. Hier steht der Kasten seit zwei Wochen in Jungen- und Mädchentoilette. „Der Kondomautomat wird sehr stark genutzt, das wissen wir“, sagt Elternsprecherin Angelika Casper, „Mist machen damit nur die üblichen Chaoten.“ Die Elternschaft sei angetan, „der Direktor steht dahinter, und die Kids finden es witzig“. Kritik an den Automaten in Schulen findet sie absurd: „Das ist vollkommener Blödsinn“. Übrigens: Bis Jahresende ist die Prüfung von Stefan Wagners Antrag abgeschlossen.

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