Berliner Platte: Kluge Melancholie und Seesand zwischen den Zehen
Vorsicht, es handelt sich hier um die Platte eines „Liedermachers“. Was für ein unangemessenes Wort für einen Mann, der in diesem Jahr 50 wird und seit bald dreißig Jahren dichtet und musiziert. Der auf seiner neuen Platte „Himmelfahrt“ tatsächlich etwas sehr Ernsthaftes und Kluges mitzuteilen hat: dass man zum Glück nur älter, nicht klüger wird. Anders wäre kaum zu erklären, dass sich „An mich, nachts“ neu arrangiert auf der Platte findet. Bei dem Stück, 1986 erstmals beim DDR-Label Amiga erschienen, geht es um Selbstzweifel und um die Note „Ungenügend“, die man sich stets selber gibt. Und die man sich tapfer verdient – mit Leichtfertigkeit und Genuss. Was sonst wäre Leben?
Wenzel ist ein großer Melancholiker, den es zum Meer zieht. Das zeigen seine Texte, durch die Wellen und Wolken ziehen und die sich ungeschützt erfreuen am Wind und an dem Seesand, der zwischen den Zehen klebt. Eine Stimmung, die man kennt von mecklenburgischen Wochenenden, wo aus coolen Club-Urbaniten Teetrinker unter Apfelbäumen werden, Kinderwünsche geboren werden und die mitgebrachte Tageszeitung am Sonntag ungelesen in den Papiermüll wandert. Derartiges ist Wenzel zu verdanken. Dem … nennen wir ihn: Dichtersänger. ANJA MAIER
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