piwik no script img

Bahn-Software sorgt für teurere Tickets

Systemfehler bei Kombination von BahnCard und Mitfahrerrabatt. Bislang nur Hinweise an den Automaten

KÖLN taz ■ Die Deutsche Bahn hat massive Probleme mit ihrer Verkaufssoftware. Seit Wiedereinführung der BahnCard 50 ist es dem Programm häufig nicht mehr möglich, den richtigen Preis für Mehrpersonentickets zu berechnen. Betroffen sind alle, die mit mehreren Personen auf einem gemeinsamen Fahrschein fahren wollen und dabei die BahnCards 50 und 25 kombinieren. Daran verschluckt sich das System regelmäßig, kommt mit BahnCard-Ermäßigung, Mitfahrerrabatt und Mindestpreis durcheinander – und ermittelt immer wieder einen zu hohen Preis. Tausende Tickets wurden seitdem im Durchschnitt um 2 bis 4 Euro teuerer verkauft, als die Bahn dürfte.

„Das Problem besteht, daran gibt es nichts zu deuteln“, bekennt Bahn-Sprecher Achim Stauss auf Anfrage. Die Bahn habe im Sommer 2003 auf vielfachen Wunsch äußerst kurzfristig die BahnCard 50 wieder eingeführt, womit die Verkaufssoftware technisch überfordert sei. Dies hat Vertriebschef Jürgen Büchy auch bereits im September 2004 eingeräumt: In einem persönlichen Schreiben reagierte er auf eine Reklamation des Bahnkunden Marcel Hoffmann aus Stendal und bot als Ausgleich einen Reisegutschein an. „Ein Frechheit“, meinte dieser nur und drohte mit Veröffentlichung. Per Brief gab die Bahn daraufhin die „unbefriedigende Situation“ zu und versprach einen entsprechenden Hinweis am Automaten. „Achtung: Bei einem Normalpreis für 1 Person unter 15 Euro ist es für Sie günstiger, getrennte Fahrkarten mit den jeweiligen BahnCard-Rabatten auszustellen“, heißt es da mittlerweile.

Die Bahn fühlt sich aber außer Stande, das eigentliche Softwareproblem zu beheben. „Wir bieten unseren Kunden Informationen, aber nicht die Lösung“, gesteht Bahn-Sprecher Stauß. Es betreffe ja lediglich den Verkauf an den Fernverkehrsautomaten, versucht er zu beschwichtigen. Doch der Bahnsprecher irrt: Die gleiche Software regelt den Internetverkauf, und auch die Angestellten im DB-Callcenter sowie in den Reisezentren greifen auf das System zurück. Dort wird der entsprechende Hinweis jedoch nicht angezeigt.

Für Joachim Kemnitz, stellvertretender Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“, eine unhaltbare Situation. Der Programmierfehler müsse behoben werden, sagt er. „Lediglich einen derartigen Hinweis zu geben halte ich für eine ganz schlechte Lösung.“

Wie viel die Bahn bislang zu viel kassiert hat, ist unklar. 2.400 Verkäufe seien jährlich betroffen, räumt Bahnsprecher Stauß offiziell ein, spricht von 6.000 Euro. Jürgen Büchy dagegen versicherte gegenüber Marcel Hoffmann schriftlich, „dass bei nur rund 0,5 Prozent aller Verkäufe unterschiedliche BahnCards miteinander kombiniert werden und gleichzeitig der Mindestfahrpreis nicht erreicht wird“.

Da die Bahn 2004 insgesamt 270 Millionen Fahrkarten verkauft hat, ginge es demnach um 1,35 Millionen Tickets allein im vergangenen Jahr, in dem noch nirgendwo ein Hinweis angezeigt wurde. Bei einer Überteuerung von nur 2 Euro pro Verkauf ergäbe sich somit die stattliche Summe von 2,7 Millionen Euro. Stauß will diese Hochrechnung nicht kommentieren. „Ich verstehe jedoch, wenn es für Außenstehende unverständlich erscheint, dass diese beiden Zahlen nicht miteinander korrespondieren“, so der Sprecher nebulös.

Dennoch hält das Eisenbahnbundesamt, das in der Sache ermittelt hat, die getroffene Maßnahme für ausreichend. „Nach Auffassung unseres Fachdienstes ist dies eine verhältnismäßige Lösung“, sagt Sprecher Mark Wille. Zur Fahrplanumstellung im Dezember 2005 entfalle die Mitfahrerrabatt-Regelung für BahnCard-Kunden ohnehin. „Damit löst sich das Problem dann von alleine.“ ACHIM GRAF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen