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Rüttgers plant an den Schulen vorbei

Erst ein Drittel der 1.000 neuen Lehrerstellen in NRW sind besetzt. Die GEW kritisiert den „Schnellschuss“ der Landesregierung

Viele KandidatInnen sind vor Rüttgers Ankündigung in den Urlaub gefahren

VON NATALIE WIESMANN

Die Suche nach 1.000 zusätzlichen LehrerInnen für das neue Schuljahr gestaltet sich als Rennen gegen die Zeit. Zweieinhalb Wochen vor Schulanfang sind erst ein Drittel der Stellen besetzt. Doch das Besetzungsproblem ist vor allem hausgemacht: „Wenn sich Herr Rüttgers erst in den Schulferien für die Neueinstellungen entscheidet, muss man sich nicht wundern“, konstatiert Michael Schulte, NRW-Geschäftsführer der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Viele der angesprochenen KandidatInnen seien vor der Erklärung von Ministerpräsident Rüttgers (CDU) „frustriert“ in den Urlaub gefahren.

Die neue Regierung hatte bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung die Einrichtung von 4.000 neuen Stellen bis zum Ende der Wahlperiode beschlossen. Doch die kurzfristige Entscheidung, bereits zum 21. August 1.000 neue Lehrer in den Schuldienst aufzunehmen, kam für viele überraschend. „Die neuen Lehrer werden keinen Unterrichtsausfall verhindern, aber der Schnellschuss besitzt eine starke Symbolkraft“, so Schulte.

Unter Druck stehen jetzt die Bezirksregierungen, die für die Einstellung von LehrerInnen zuständig sind. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Zielvorgabe erreichen“, sagt der Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, Christoph Söbbeler. Besetzungsprobleme gebe es vor allem in den klassischen Mangelfächern Mathe, Physik, Latein und Musik. Dazu komme die Schwierigkeit, LehrerInnen für eine Stelle in den ländlichen Regionen zu gewinnen. Das sei allerdings kein neues Problem: „Wir führen das auf die mangelnde Sensibilität der Bewerber zurück“, so Söbbeler.

In den vergangenen Jahren wurden Stellen in NRW vor allem über offizielle Ausschreibungen der Schulen besetzt. Da die Bewerbungsfristen aber verstrichen sind, müssen die Bezirksregierungen wieder auf das herkömmliche Listenverfahren zurückgreifen. Dort können BewerberInnen ihren Wunschort äußern, nicht jedoch die präferierte Schulform. Das findet GEW-Geschäftsführer Schulte problematisch: „Mit den Listenverfahren springen deutlich mehr LehrerInnen wieder ab, als wenn sie sich selbst bewerben.“

Dafür hat Oliver Mohr, Sprecher der Schulministerin, kein Verständnis. „Wir erwarten mehr Flexibilität bei den Lehramtsanwärtern“, sagt er. „Lehrer sein ist ein toller Job, aber harte Arbeit.“ Man wolle vorerst auf die im Land ausgebildeten LehrerInnen setzen, eine aktive Suche in anderen Bundesländern werde es vorerst nicht geben. Auch über das Angebot an Quereinsteiger, per berufsbegleitendes Studium kurzfristig ins Lehramt einzusteigen, würde zu diesem Zeitpunkt noch nicht nachgedacht. In den Niederlanden existiert diese alternative Lehrerlaufbahn bereits seit 2000 (siehe unten), in NRW seit zwei Jahren. Immerhin 10 Prozent der LehrerInnen stiegen in den vergangenen Jahren so oder über ein vorgeschobenes Referendariat quer ein.

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