: I N T E R V I E W Das Ende der Standespolitik
■ Dr. med. Helmut Becker, Ex–Vize–Präsident der Ärztekammer in Berlin und Mitglied der „Fraktion Gesundheit“, zum Wahlsieg dieses Bündnisses aus Gesundheitsladenärzten, Marburger Bund und ÖTV. Sie besetzen ab sofort 50
taz: Bekommt die als konservativstes Selbstverwaltungsorgan der konservativsten Berufsgruppe bekannte Ärztekammer in Berlin nun einen alternativen Präsidenten? Becker: Ich glaube ja. Die bisherige Politik der konservativen Ärztekammer kann so nicht fortgesetzt werden. Auch wenn uns eine Stimme an der absoluten Mehrheit fehlt. Was wird anders werden? Wir werden vor allem bei den Problemen des gesundheitlichen Umweltschutzes Zeichen setzen. Was soll das praktisch heißen ? Wir glauben, daß die Freie Universität ein Institut für Umweltmedizin etablieren muß, daß alle Gesundheitsämter umweltpolitische Beratungsstellen einzurichten haben und daß in der Studentenausbildung und der ärztlichen Weiterbildung die großen Defizite auf dem Gebiet abgebaut werden müssen. Hat die Fraktion Gesundheit soviele Stimmen bekommen, weil sich bei den Ärzten neues Umweltbewußtsein entwickelt hat? Wir haben von unserer Fraktion dieses Gebiet gegen den Widerstand der althergebrachten Funktionäre in die Standesorganisation eingebracht. Aber es sind doch nicht 50 Grüne. Nein, aber wir sind ein breites Spektrum von fortschrittlichen Ärzten, hier kommen die Kräfte zusammen, die der IPPNW angehören, dem Marburger Bund, der Gesundheitsladenbewegung und viele andere mehr, die sich hier zusammengefunden haben, um dem reaktionären Block von Chefärzten und niedergelassenen Ärzten endlich etwas entgegensetzen zu können. Also wurde auch gegen die Altherrenriege votiert. Die Ärztekammer Berlin hat eine so verkrustete Politik betrieben, daß vielen sichtbar wurde, daß sich da nichts mehr bewegt. Vor allem geht es doch wohl darum, wer den Präsidenten stellt. Ja, weil er nach außen die Gesundheits– und Standespolitik, die der Vorstand formulieren wird, zu repräsentieren hat. Ist Umweltmedizin Euer gesamtes Programm? Nein, wir werden uns neben den klassischen Problemen noch ein neues Feld vornehmen, nämlich eine Einrichtung für Dritte–Welt–Medizin hier in Berlin zu schaffen. Verwandelt eine junge Ärztegeneration den konservativsten Stand zum fortschrittlichsten? Nein, das wäre zu hoch gegriffen. Aber wir glauben, daß unsere Vorstellungen von Gesundheitspolitik nichts mehr mit Standespolitik zu tun hat, sondern, daß das eine Politik ist, die der Bevölkerung zugute kommen wird. Das Gespräch führte Kuno Kruse
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