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Bittersüße Grüße an Emmanzen

■ Heute wird die Zeitschrift Emma zehn Jahre alt / Drei Autorinnen berichten, was Emma für sie bedeutet

Als Emma vor zehn Jahren das erste Mal erschien, hätte ich nie gedacht, daß ich mich einmal zu den Feministinnen zählen würde: Von systematischer Frauenunterdrückung bei uns zu sprechen, erschien mir sehr übertrieben. Und das, obwohl ich die „einschlägigen Erfahrungen“ durchaus hinter mir hatte: verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden, ein Kind, eine illegale Abtreibung, beinahe vergewaltigt worden. Dazu jahrelange Arbeit in „typischen“ Frauenberufen: Krankenschwester, Kaufhausverkäuferin, Putzfrau, Sekretärin, Fotomodell und immer, immer - „nebenberuflich“, versteht sich - Hausfrau. Immer, immer wieder Pech gehabt ... (?) Statt gegen meine eigene Unterdrückung zu kämpfen, war ich 1977 arbeitsintensiv und mutig dabei, wieder mal für andere da zu sein: gegen die Unterdrückung des Proletariats morgens, mittags und abends, organisiert in einer ML–Partei. In diese Situation kam Emma. Wie glühende Kohlen faßte ich die ersten Nummern an. Ich produzierte einen Verriß für das „Zentralorgan der KPD/ML“, schimpfte und fand das alles übertrieben. Und las jede neue Emma - mit zunehmendem Interesse. Las: Meulenbelt, Schwarzer, Beauvoir, Dohm, und immer wieder Emma. Emma hatte sich ganz subversiv in mein Leben geschlichen. Zwei, drei Jahre später lebte ich - ohne Ehemann und Partei - „frauenbewegt“, und es ging mir immer besser. Freundinnen, eine Frauengruppe, die Hamburger Frauenwoche und auch Walpurgisnächte haben mir geholfen, stark zu werden, vor allem, als ich kapierte: Das Persönliche ist politisch. Was mir an Emma immer sehr imponierte war, daß bei ihr diese Parole (fast) nie im Sumpf von Nabelschau, Mystizismus und Friedfertigkeit stecken blieb. Daß Emma fragte, in welche Richtung wir uns eigentlich „bewegen“ wollen. Seit Ende 1981 bin ich Emma– Autorin. Und im Gegensatz zu einigen Latrinenparolen, die in der „Frauenbewegung“ und anderswo kursierten: Ich habe nie schlechte Erfahrungen mit den Redaktionsfrauen gemacht. Meine Briefe wurden beantwortet, meine Kritik bearbeitet, meine Artikel knapp aber zuverlässig honoriert und so veröffentlicht, wie sie gemeint waren. Natürlich war ich auch mal sauer über Streichungen oder Ablehnungen. Wie gut es mir aber bei Emma geht als Autorin, weiß ich erst, seit ich den normalverrückten Alltag von anderen Zeitungen kenne (Exklusivrechte, Beziehungen, Kampf und Ausfallhonorare und verschlampte Artikel, von völlig veränderten oder zensierten ganz zu schweigen). Emma war und ist für mich Unterstützung, Anregung und Forum. In Emma konnte ich die ersten Ideen für mein Buch gegen die Neue Mütterlichkeit veröffentlichen und per Anzeige Interviewpartnerinnen dafür finden. Ratschläge und Kritik gabs umsonst dazu. Trotzdem: Ich muß, ehrlich gesagt, mehr als schlucken, wenn ich in der Emma, die heute erscheint, lese, daß Heiner Geißler, Rita Süßmuth und Andrea Zangemeister (Chefredakteurin von Bild der Frau) sich an Emma erfreuen. Das hätte ich lieber von einer feministischen Betriebsrätin gehört, einer Frauenhausmitarbeiterin oder AKW– Mastsprengerin - meinetwegen auch der einen oder anderen „Karriere–Frau“. Höchste Zeit, liebe Freundin in Köln, sich die Freunde mal genauer anzugucken, finde ich! Ich ärgere mich auch darüber, daß in der neuesten Emma so gut wie nix zu den zehn Jahren Frauen/ kampf/bewegung in unserem Land steht. Zehn Seiten „Brief aus einem Kriegsgebiet“ (Kampf gegen Pornographie in den USA) - und für Emma darf ein Playboy–Chefreporter sich freuen, „daß es Emma überhaupt gibt und ich mich jeden Monat darüber ärgern darf“... ? Das kanns doch nicht gewesen sein. „Emma lebt - und wenn die Jungs sich totärgern“, schreibt Alice Schwarzer in der neuen Emma. Ärgern sie sich wirklich (noch)? Dennoch: Emma ist für mich wichtig. Zum Lesen und zum Schreiben. Wie eine Freundin, mit der ich auch mal streiten muß. Ich freu mich immer wieder, wenn ich sie treffe. Und bei ganz vielen Gelegenheiten verbindet uns eine heiße Liebe. Auf die nächsten zehn Jahre! Paß auf Dich auf, Kölnerin! Bleibe Piratin, auch wenns heute überall knall–lila Gummiboote billigst zu kaufen gibt! Katja Leyrer Liebe Emma, plötzlich wurde ich ganz blaß um die Nase und meine Kolleginnen schauten verwundert. Die neue Geburtstags– Emma lag vor mir. Da ist Alice vorne drauf, ganz groß zeigt sie ihre Zähne. Im Editorial lese ich, daß dieses Foto noch größer rauskommen wird - als Plakat in vielen Städten. Da schaust du dann von den Litfaßsäulen auf mich herab. Kann ich deinem strengen Blick standhalten? Habe ich alles richtig (oder falsch?) gemacht? Vielleicht habe ich für die - von dir für „Luxus“ er klärte - „neue Nachdenklichkeit“ plädiert. Oder mit Grünen kollaboriert und Fraueninteressen verraten. Aber du wirst mir schon die Leviten lesen, wenn ich mal wieder „Mist“ geschrieben habe. Wenige, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate genügen dir, um einen ganzen Artikel als falsch zu entlarven. Atemberaubend schnell bist du beim (Ver)urteilen - und atemberaubend eindimensional. Manchmal allerdings, wenn ich mit dir, liebe Emma, auf meinem roten Sofa sitze, fühle ich mich großartig. „Emma–Leserinnen sind nicht irgendwelche Frauen. Sie sind die Spitze der Entwicklung“, lobst du mich. So haben wir z.B. die Wahl entschieden. Weil Emma–Leserinnen früher ganz doll und jetzt fast überhaupt nicht mehr SPD wählen, machens die anderen genauso und die SPD ist der Verlierer. In der Januar–Ausgabe hast du berichtet, daß von 1.898 befragten Emma–Leserinnen nur noch 14,8 Prozent die SPD, aber über 70 Prozent die Grünen wählen. Warum wir es bislang noch nicht geschafft haben, diese absolute Mehrheit für die Grünen in Parlament und Regierung durchzusetzen, hast du mir allerdings nicht erklärt. Aber vielleicht ist das nur eine Frage der Zeit. Schließlich sind wir die Trendsetterinnen und die anderen hinken hinterher. Das merke ich immer dann, wenn ich mit dir nicht auf dem Sofa, sondern auf den blauen Plastikbänken in der U–Bahn sitze. Da falle ich noch richtig auf mit dir. Mein Gegenüber dreht möglichst unauffällig den Kopf schräg nach unten, um einen Blick auf den Schriftzug des Titelblatts zu ergattern. Will er sich vergewissern, ob er da wirklich eine leibhaftige Emanze vor sich hat? Seinen Nachbarn knufft er in die Seite, um ihn auf dieses Phänomen aufmerksam zu machen. Wo sonst kann ich mich für sechs Mark (pro Heft und Monat) so köstlich amüsieren? So eine bunte, schön aufgemachte Zeitschrift auf glänzendem Papier. Exklusiv einmal erscheinen, einen Monat lang auf schicken Beistelltischchen, auf dem Klo und neben Betten liegen, gelesen und vielleicht noch mal gelesen werden... Das hätte ich auch gerne. Meine tollen Artikel dagegen: Immer auf billigem, schmuddeligem Papier, schwarz/weiß/ grau, anderntags schon auf dem alternativen Altpapierstapel vergessen. Sie möglichst schnell zu vergessen - das wäre allerdings für manche deiner Artikel in schönem lay–out am Besten. Warum titelst du reißerisch „Mehrheit für Verfassungsklage!“, wenn die Befragten ausschließlich Emma– Leserinnen waren? Für wie blöde hälst du mich eigentlich? Meinst du, ich kann nicht zwischen den Emma–Leserinnen und der Mehrheit der Frauen unterscheiden? Solch plumpen Journalismus hast du nicht nötig. So bunt dein Kleid auch sein mag - da fehlen viele Facetten von all dem, was Frauen bewegen und was sie bewegt. Jetzt bist du schon zehn Jahre alt, Emma, könntest du dir da nicht etwas mehr Offenheit und Diskussionsbereitschaft leisten? In diesem Sinne: Noch viele Zehnjährige! Happy Birthday!

Gunhild Schöller Der 26. Januar 1977 war ein Mittwoch. Schönes Wetter. Gegen Mittag bekam ich einen Anruf aus der Emma–Redaktion: Das Blatt sei fast überall schon ausverkauft, die nächsten 100.000 gingen jetzt in Druck... Meine ersten Kräche mit Alice Schwarzer lagen damals schon ein paar Monate zurück. Trotzdem freute ich mich. Ich freue mich auch heute noch, daß es Emma gibt, daß sie bzw. die Frauen, die sie machen, durchgehalten haben. Ich finds toll, daß das Blatt über die Jahre eher besser als schlechter geworden ist, daß Emma anders als ihre verblichene Schwester Courage nicht im frauenbewegungsinternen Sumpf versackt ist, sondern erstaunlich frisch und politisch aktuell jeden Monat im Briefkasten steckt. Einerseits. Andererseits: Wann geht Alice endlich in Therapie? Daß diese brillante Publizistin, diese nie um eine Antwort verlegene Schnodderschnauze alles niederwalzt, was nicht ihrer Meinung ist, schadet auch dem Blatt. Jüngstes Beispiel: Die Diffamierungskampagne gegen die Grünen–Frauen, weil diese es wagen, in der von Alice verfochtenen Politik einer Verfassungsklage gegen den § 218 anderer Meinung zu sein. Die Gesschichte von Emma ist auch die Geschichte von Alice Schwarzers Obsessionen, von ihrer Zwangsvorstellung, daß alle, die nicht ihrer Meinung sind, den Feminismus verraten. Nun scheint es ja zur Praxis alternativer Projekte, von Frauenprojekten zumal, zu gehören, daß sich der Alltag dort wie eine gelungene Mischung aus Arbeitslager und Psychiatrie ausnimmt. Dem ewigen Möbel–Beschaffen, Schreibtische–Streichen, den zwölfstündigen Redaktionskonferenzen am Wochenende und den Schwarzerschen Tobsuchtsanfällen, wenn irgendwer mal Kritik anmeldete, entzog ich mich einige Wochen, bevor die erste Emma erschien. Bei einem Projekt, das so wenig auf kollektive Strukturen hin angelegt war, erlahmte mein Idealismus schnell. Von Frau Schwarzer „Krämerseele“ gescholten, schied ich im Herbst 1976 aus dem innersten Redaktionszirkel aus. Ich habe dann noch zwei, drei Jahre regelmäßig für Emma geschrieben. Es hat mir Spaß gemacht, Themen wie Konjunkturpolitik oder Tarifforderungen anders als üblich, nämlich vom Frauenstandpunkt aus, abzuhandeln. Vom Streß in der Redaktion, von der Arbeit bis in die Nächte hinein, von den furchtbaren Szenen und Krächen, wenn nicht alles so lief, wie Alice sich das vorstellte, hörte ich dann nur noch von anderen. Nicht wenige dieser Kräche endeten übrigens vor Gericht und kamen so nach und nach an die Öffentlichkeit. Nach den ersten Zeitungsberichten und Rundfunksendungen über die Arbeitsbedingungen am Kolpingplatz, dem Sitz der Emma–Redaktion, beklagte sich Alice in Emma bitterlich über die ganzen Flaschen, Nieten und Verräterinnen, mit denen sie es bedauerlicherweise in ihrer Redaktion zu tun hatte. Wir „Ehemaligen“ (das waren damals schon rund 30 Frauen) veröffentlichten dann Anfang 1980 einen Offenen Brief in der Frankfurter Rundschau, in welchem wir unsere Version der Vorgänge rund um Emma darstellten. Das wurde keiner von uns je verziehen. Das verdrießt dann doch manchmal die Lektüre des ansonsten peppigen Blattes, dem ich noch viele zehnjährige Jubiläen wünsche.

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