Wallmann holt zur Wende aus

■ CDU und FDP vollziehen Machtwechsel in Hessen / Atomaufsicht und -genehmigung für Umweltminister Weimar / Alternativbetrieben wird das Wasser abgegraben / Länderpartnerschaft mit Nicaragua aufgekündigt

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Nach nur zwei Verhandlungswochen haben CDU und FDP gestern in Wiesbaden ihre Vereinbarungen für die 12. Legislaturperiode des Hessischen Landtags vorgestellt. Wahlsieger Walter Wallmann betonte, daß es sich bei der neuen Koalition um „kein historisches Bündnis“ oder eine „neue Zeit“ handele. „Mit uns beginnt auch nicht die Demokratie in Hessen.“ In der Atompolitik erfüllte Wallmann sogar eine Forderung der Grünen: Die Zuständigkeit für die atomrechtliche Aufsicht und die Genehmigung von atomaren Anlagen geht vom Wirtschaftsministerium an den neuen Minister für Umwelt und Reaktorsicherheit, Karlheinz Weimar (CDU), über. Doch Änderungen im politischen Klima sind offensichtlich: Eine der ersten Maßnahmen des neuen Kabinetts wird die Aufkündigung der Länderpartnerschaft zwischen Hessen und der Region IV in Nicaragua sein. Darüber hinaus legte Wallmann gestern bereits einen Gesetzentwurf vor, der die „Wiederherstellung der freien Schulwahl“ garantieren soll. Als Kultusminister präsentierte er Dr. Christian Wagner (CDU), sein Staatssekretär im Bonner Umweltministerium. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Wie sich der Wind gedreht hat im Lande Hessen, werden in den nächsten Monaten vor allem die ausländischen Bürger/innen des Landes zu spüren bekommen. In den schwarz–gelben Koalitionsvereinbarungen heißt es ausdrücklich, daß das Ausländer– und Asylrecht wieder „bundeseinheitlichen Maßstäben“ folgen soll. Auch die Mitarbeiter/innen der zahlreichen Alternativbetriebe des Landes werden demnächst leer ausgehen, denn: „Ausgaben im sogenannten ,alternativen Bereich werden in den Grenzen des rechtlich Möglichen gestoppt und die Haushaltsansätze als Deckungsmittel verwandt.“ Für den kleinen Koalitionspartner FDP erklärte deren Vorsitzender Wolfgang Gerhardt, der Vize– Ministerpräsident und Minister für Wissenschaft und Kunst wird, daß sich die Parteien klar gegen den Bau eines neuen AKW in Biblis ausgesprochen hätten und eine Entscheidung über den Bau eines Atomreaktors in Borken noch nicht gefallen sei. Gerhardts Parteifreund Alfred Schmidt wird als neuer Wirtschaftsminister sowohl für die Energiepolitik als auch für die Verbraucher– und Fremdenverkehrspolitik zuständig sein. In den Koalitionsgesprächen konnte sich die FDP auch mit ihrer Forderung nach einer Änderung des hessischen Wahlrechts durchsetzen. Demnächst werden die Hessen ihren Landtag mit Erst– und Zweitstimme zusammen wählen dürfen; eine Neuregelung, die auch von den Grünen begrüßt wurde. Der Ex–Fraktionsvorsitzende der hessischen CDU, Gottfried Milde, wird Innenminister. Karl– Heinz Koch (CDU) als Justizminister und Wallmanns Spezi aus Frankfurter Tagen, Karl–Hein rich Trageser (CDU), als Sozialminister runden das Männerbild der CDU/FDP–Kabinettsrunde ab. Dazu kommt noch die als Ministerin für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz ausgewiesene Ex–Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes Irmgard Reichert vom Hofgut Ringelshausen, die keiner Partei angehört. Das Staatssekretäriat für Frauenfragen, das direkt bei Wallmann angesiedelt werden soll, wird die Ex–CDU–Landtagsabgeordnete Otti Geschka übernehmen.