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Steuergeschenke für irische Unternehmen

■ Begründung für einen weitreichenden Steuererlaß: Fehlende Finanzbeamte / Gleichzeitig wird bei den Arbeitslosen die Kontrollschraube angezogen

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die irischen Finanzbehörden haben beschlossen, auf Steuereinnahmen in Millionenhöhe zu verzichten. Diese in Anbetracht der Staatsverschuldung erstaunliche Geste kommt allerdings nur Unternehmen zugute, die es sich durchaus leisten könnten, die Steuern zu zahlen. Am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, daß die Steuerkommission die Finanzbeamten angewiesen hat, die gesamten Mehrwertsteuerschulden bei Unternehmen zu streichen, wenn der Fälligkeitstermin mindestens drei Jahre zurückliegt. Die Mehrwertsteuer ist mit 2,5 Milliarden Mark pro Jahr immerhin die zweitwichtigste Einnahmequelle des irischen Staates. Über die Höhe der entgangenen Einnahmen wollte der Sprecher der Finanzbeamten nichts sagen, aber er meinte, daß einzelne Unternehmen bis zu einer halben Million Mark in der Kreide stünden. Die Begründung für den Steuerverzicht ist abenteuerlich: nachdem die Regierung einen Einstellungsstopp für Beamte verfügt habe, um Steuern zu sparen, fehle es an Finanzbeamten. Da aber so hohe und weit zurückliegende Steuerschulden dem Ansehen der Regierung schadeten, habe man sich entschlossen, dem Reißwolf die zügige Bearbeitung des Aktenberges anzuvertrauen. Außerdem bestünden sowieso wenig Chancen, die Steuern einzutreiben. Im letzten Jahr habe man 25 völlig unerfahrene und ohne Vollmachten ausgestattete Beamte losgeschickt, um 1,5 Milliarden Mark einzutreiben. Nach einem simplen „Nein“ der meisten Unternehmen kehrten die Beamten mit leeren Händen zurück. Die Arbeitslosen können nicht mit der Großzügigkeit der irischen Regierung rechnen. Regierungschef Haughey hat in seinem Haushaltsplan im März 40.000 ABM– Stellen versprochen, die unter 150.000 Langzeit–Arbeitslosen verteilt werden sollen. Der Zynismus hinter dieser Maßnahme geht deutlich aus einer internen Anweisung des Arbeitsamtes hervor, die der taz in die Hände fiel. Unter Punkt 3 der Anweisung heißt es: „Personen, die (1) nicht zu einem Vorladungstermin des Arbeitsamtes erscheinen, (2) ein vernünftiges Angebot eines Vorstellungsgesprächs bei einem privaten Arbeitgeber ablehnen, (3) ein vernünftiges Angebot einer ABM–Stelle ablehnen, (4) nicht zu einem Stellenbewerberkurs eines Arbeitgebers erscheinen, oder (5) wegen unkooperativem Verhalten von ABM–Stellen oder Kursen ausgeschlossen werden, sollen dem Sozialamt gemeldet werden, damit die Streichung ihrer Arbeitslosen– oder Sozialhilfe–Bezüge entschieden werden kann.“ An vier weiteren Stellen der dreiseitigen Anweisung wird eindringlich auf die sofortige Meldung an das Sozialamt hingewiesen. Die irische Regierung ist wohl zu Recht der Ansicht, daß es einfacher und rentabler ist, den Arbeitslosen Geld zu verweigern, als es von den Unternehmen einzutreiben.

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