Italien: Späte Anklage statt Orden für grünen“Geheimnisverräter“

Rom (taz) - Wahlkampf–Hinterhältigkeiten sind wohl der Grund dafür, daß nach über einem Jahr „Ermittlungen“ die Staatsanwaltschaft Mailand plötzlich doch Anklage gegen den Grünen Regionalabgeordneten Sergio Andreis erhebt - einer Tat wegen, für die ihm wohl eher ein Verdienstorden gebührt hätte. Im Februar 1986 hatte Andreis sich aus dem Büro des lombardischen Umweltdezernenten ein von der Europäischen Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit der Regionalverwaltung erstelltes, geheimgehaltenes Dossier über „Firmen mit hohem Umweltrisiko“ beschafft und eine Kopie der Presse zugänglich gemacht. Inhalt: Die EG und die Regionalregierung führten 181 hochgefährliche Betriebe auf, während das italienische Gesundheitsministerium kurz zuvor nur 57 „gefunden“ hatte. Die Presse hatte wenig Notiz von Andreis Aktion genommen - kein Wunder, gehört doch zum Beispiel auch die Druckerei der größten italienischen Tageszeitung, des Corriere della sera zum Kreis der Umwelt–Schmutzfinken. Die nunmehr erfolgte Anklageerhebung trifft Sergio Andreis mitten im Wahlkampf (er ist für die Parlamentswahlen am 14. Juni Spitzenkandidat in Como und Nummer zwei der Mailänder Liste): Immerhin drohen bei Verurteilung wegen „Geheimnisverrats“ zwischen drei und 24 Jahren Gefängnis. Werner Raith