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Schüsse in Berlin auf höchsten Asylrichter

■ Durch gezielte Schüsse in die Beine verletzt / Die Täter entkamen auf einem Motorrad / Richter Korbmacher für Verschärfung der Asylpraxis mitverantwortlich

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Zwei unbekannte Täter haben gestern morgen in Berlin den höchsten Asylrichter in der Bundesrepublik, den Bundesverwaltungsrichter Günter Korbmacher, durch gezielte Schüsse in die Beine verletzt. Korbmacher ist langjähriger Vorsitzender des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, der als letzte Instanz für Asylangelegenheiten zuständig ist. In den letzten Jahren wurde er durch zahlreiche umstrittene Entscheidungen zum Vorreiter für eine restriktive Asylrechtsprechung bekannt. Der 61jährige Korbmacher wurde nach den bisherigen Erkenntnissen des Berliner Staatsschutzes gestern früh auf dem Weg zu seinem Auto von zwei behelmten Motorradfahrern angeschossen. Sie flüchteten anschließend unter den Augen einiger Zeugen mit ihrem Motorrad. Korbmacher wurde mit zwei Schußwunden am linken Bein in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach Aussage eines Gerichtssprechers besteht für den Bundesverwaltungsrichter keine Lebensgefahr. Fortsetzung auf Seite 2 Die Art des gestrigen Anschlags und die dabei verwendete Munition gleichen auffallend einem Anschlag im letzten Oktober, bei dem Unbekannte den Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Hollenberg, nach Manier der „Roten Brigaden“ gezielt in die Beine geschossen hatten. Damals bekannten sich die „Revolutionären Zellen“ zu dem Anschlag. Verschiedene Berliner Ausländergruppen, und die Alternative Liste hatten im vergangenen Jahr diesen Anschlag als „übel“ und als „Katastrophe für die Flüchtlinge“ verurteilt. Der jetzt angegriffene Richter Korbmacher gilt in Kollegenkreisen als „Scharfmacher“ im ohnehin nicht sehr ausländerfreundlichen Asylsenat des Bundesverwaltungsgerichts. Unter seinem Vorsitz hat der 9. Senat mit zahlreichen umstrittenen Entscheidungen die Asylpolitik in der Bun desrepublik maßgeblich beeinflußt: 1983 fällte das Bundesverwaltungsgericht unter Korbmacher das denkwürdige Folter–Urteil, in dem festgelegt wird, daß Folter nur dann als Asylgrund anerkannt wird, wenn der folternde Staat sie aus explizit politischen Motiven begeht. Mit ihrem „Tamilenurteil“ von 1985 hatten die Bundesverwaltungsrichter eine Gruppenverfolgung der tamilischen Volksgruppe in Sri Lanka abgestritten. Eine Verfolgung der Tamilen, so hatten die Richter damals erklärt, diene der berechtigten „Herrschaftssicherung“ des srilankischen Staates gegenüber separatistischen Bestrebungen. In diesem „Bürgerkrieg“ sei die tamilische Zivilbevölkerung „auf nicht auszumachende Weise in das Kampfgeschehen einbezogen“. Eine solche Beteiligung an einem Bürgerkrieg sei jedoch nicht als Asylgrund anzuerkennen. Für die annähernd 20.000 tamilischen Asylbewerber in der Bundesrepublik bedeutete dieses Urteil das „Aus“ für ihre Asylanerkennung. Politiker in Bonn und Berlin verurteilten den Anschlag auf den Bundesverwaltungsrichter. Kritik an der Urteilspraxis des Richters könne in keiner Weise das Vorgehen gegen Korbmacher rechtfertigen, erklärte die AL Berlin. Wer sich selbst zum „Richter“ über Richter ernennt, praktiziere die niedrigste Stufe der Justiz: menschenverachtende Selbstjustiz.

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