I N T E R V I E W Der Fall Fleming

■ Die Soziologin Silvana Konieczny–Origlia über Gerald Fleming, Historiker in Sachen Waldheim

Silvana Konieczny–Origlia, Soziologin, seit 1983 Mitarbeiterin im Jüdischen Dokumentationszentrum in Wien, hat zahlreiche Aufsätze über den Nationalsozialismus geschrieben. Seit vergangenen Freitag befindet sie sich in Rom, wo sie Fianna Nirdenstein von der Zeitschrift Epoca bisher unveröffentlichte Dokumente zum Fall Waldheim übergab. taz: Was ist Ihr Anliegen mit der Veröffentlichung der Dokumente? Koniecny–Origlia: Zweierlei jedenfalls nicht: Es ging mir nicht um einen neuen Waldheim– Skandal und auch nicht darum, das Wiesenthal–Zentrum zu diskreditieren. Es geht mir hier ausschließlich um den Fall Fleming - er wurde Anfang des Monats in die Historiker–Kommission berufen, die den Fall Waldheim behandeln soll. Und da ich zufälligerweise beim Aktenstudium auf den Brief gestoßen bin, in dem er ausdrücklich davon spricht, von bestimmten, auch ihn belastend erscheinenden Dokumenten keinen Gebrauch machen zu wollen, hielt ich es für meine Pflicht, die Öffentlichkeit zu informieren. Fleming schreibt, nachdem er darauf hingewiesen hat, daß aus den Dokumenten „hervorgeht, daß aufgrund des Führerbefehls in Sachen Commandos gemordet wurde“: „Ich selbst habe auf keinen Fall die Absicht, in dieser Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu treten...“ Die beiden Dokumente, um die es geht, sind eine Anfrage, die nach allen Belegen, die es gibt, nur von Waldheim selbst stammen kann, und die die weitere Behandlung von Kriegsgefangenen betrifft, sowie eine Antwort des Oberkommandos darauf. Es steht mir überhaupt kein Urteil darüber zu, wieweit Waldheim damit belastet wird. Doch Fleming ist nun Mitglied der Historikerkommission, und wie kann ein solcher Mann da mitwirken, wenn er von Dokumenten, die er ausdrücklich für belastend hält, nicht Gebrauch machen will. Später schreibt er, daß Wiesenthal diesen Brief sofort vernichten soll. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Fleming hier Verstecken spielt? Nicht unbedingt. Ich weiß, daß Herr Fleming viele Briefe an viele Leute schreibt, mitunter offenbar recht unterschiedlichen Inhalts. Er hat auch ein löbliches Buch mit dem Titel „Endlösung“ geschrieben. Im Fall Waldheim war das anders: Da hätte er Stellung beziehen müssen in einer ganz anderen Frage zur Wahrheit. Interview: Werner Raith