I N T E R V I E W „Es geht ums Handeln“

■ Marcin Krol, liberaler Publizist der Zeitschrift Res Publica und Historiker, zum Referendum in Polen

taz: Sind die demokratischen Versprechen des Referendums ein Zeichen dafür, daß ein begrenzter politischer Pluralismus geduldet werden wird? Marcin Krol: Dafür gibt es tatsächlich Zeichen. Ich sehe hauptsächlich zwei positive Dinge. Erstens die Vereinigungsfreiheit. Liberalisierungsmaßnahmen hat es bis jetzt schon gegeben, aber sie konnten jederzeit zurückgenommen werden. Hier geht es um einen Schritt der Demokratisierung, der im Gesetz festgeschrieben werden wird. Die Frage bleibt natürlich, wie frei die Vereinigungen in ihrer Arbeit und ihrer Zielsetzung sein werden und ob es genug Kräfte in der Gesellschaft gibt, die davon Gebrauch machen werden. Das zweite Positivum: Die lokalen Verwaltungen werden von der Zentralmacht unabhängiger werden. Man wird ihnen Eigentum und einen Teil der Steuern übertragen. Unabhängig von der Qualität dieser lokalen Beamten - wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, über die Verwendung öffentlicher Gelder zu bestimmen, wird das zugleich zum öffentlichen Streit über die Verwendung der Mittel führen: Soll man lieber eine Schule bauen oder ein Krankenhaus, das ist der Beginn der demokratischen Debatte. Natürlich muß man im Auge behalten, in welchem Land wir leben. An welche Art von Vereinigungen denken Sie, an Klubs? Klubs, wo die Leute frei diskutieren können, sind wichtig. Noch wichtiger sind Vereinigungen, wo etwas getan wird. In der Schule, in die meine Tochter geht, hat sich ein Elternrat gebildet, der über alles mitbestimmen will. Notwendig sind vor allem auch Vereinigungen mit sozialen Zielen, Leute, die den Alten und Kranken helfen wollen. Dann die Umweltvernichtung - ein immenses Betätigungsfeld. Sprechen kann man schon jetzt auf tausend Plätzen, in tausend Kirchen. Es geht ums Handeln. Warum schätzen sie die politischen Vereinigungen so gering ein? Ich habe zum Beispiel gehört, daß die Studenten an der Warschauer Uni ihren bisher internen Klub für liberal–konservatives Denken auch außerhalb der Uni legalisieren wollen. Warum nicht? Ich fürchte nur, es läuft darauf hinaus, daß das Ganze als Partei verboten wird. Aber was soll eine liberale Partei unter den gegenwärtigen Verhältnissen Polens? Wenn die Studenten gute Bücher herausgeben und Erziehungsarbeit leisten, ist das natürlich nicht schlecht. Ich hörte aus ihren Worten Zweifel, ob sich viele Menschen für neue Vereinigungen engagieren werden. Die Leute sind heute oft apathisch. Sie haben zuviel Reformpropaganda schlucken müssen, ohne daß irgend etwas geschehen wäre. Sogar Daniel Passent von der Zeitschrift Polityka, die der Reform nun wirklich nahesteht, reicht es. Frei nach bekanntem Vorbild schrieb er: Wenn ich das Wort Reform höre, entsichere ich meinen Revolver. Unsere Machthaber haben es mit der Reformpropaganda wirklich übertrieben. Laßt uns endlich Taten sehen. Interview: Christian Semler