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Zwischen Amazonas und Pampa die Nr. 1

■ Wieviel Verantwortung trägt der Sägenfabrikant und neue Präsident des DHI, Hans–Peter Stihl, für die Rodung des Urwaldes? / Ein ehemaliger Bankenverbandsfunktionär führt eine Kampagne gegen die heutige Wahl / Auch Umweltverbände und ein Schweizer aus dem Urwald machten mobil gegen Stihl

Von Ulli Kunkel

Der Deutsche Industrie– und Handelstag (DHI) ist schlau. Er wählt heute keinen Waffenfabrikanten zu seinem neuen Präsidenten, sondern einen Mann der unverfänglichen Sägenbranche. Der steht nicht in der Gefahr, durch Öffentlichkeitskampagnen gegen seine Person seinen ganzen Verein in Verruf zu bringen. Oder etwa doch? Das Handelsblatt jedenfalls ahnte am Montag vergangener Woche, daß nach der heutigen Wahl irgendetwas gegen Hans– Peter Stihl, Inhaber der weltweit mit Abstand größten Sägenfabrik Andreas Stihl/Waiblingen, herausgekramt wird: „Darauf wird man sich verlassen können wie das Amen in der Kirche.“ Der Ansatz: „Stihl produziert Motor–Sägen, und mit Sägen kann man Bäume fällen, und Bäume gibt es auch in tropischen Regenwäldern.“ In diese Produzentenhaftung für die Zerstörung der tropischen Regenwälder wurde Stihl in der Tat bereits vor einiger Zeit schon genommen. Hans Peter Hasenkamp, bis Anfang 1987 einer der beiden Geschäftsführer des Verbandes öffentlicher Banken, versuchte die Säge am Stuhl des neuen Präsidenten Stihl lange vor dessen heutiger Wahl anzusetzen. Er führt seit vergangenem Oktober einen Briefwechsel mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Sein Hilferuf an die Villa Hammerschmidt: „Es geht nicht an, daß der Chef einer Unternehmensgruppe, die nach meiner Einschätzung nicht im Entfernten die jetzt erreichte Bedeutung erreicht hätte, wenn der tropische Regen wald noch über die Ausdehnung verfügte, die er vor zwanzig Jahren besaß, wichtigster Sprecher der bundesdeutschen Wirtschaft wird. Können Sie, dürfen Sie, sehr geehrter Herr von Weizsäcker, schweigen? Ich meine nein. Sie werden elegante Wege finden, die Absurditäten, zumindest die hier angerissene Absurdität zu ändern.“ Gar nicht elegant fiel erstmal die Antwort des Bundespräsidialamtes aus: „Es dürfte für das Abholzen der Urwälder nicht ein deutscher Motorsägenproduzent ursächlich und damit auch verantwortlich sein.“ Hasenkamps Replik: Dann könne man ja auch gleich „den Vorstandsvorsitzenden einer deutschen Waffenfabrik zum wichtigsten Sprecher der deutschen Wirtschaft machen, oder das Vorstandsmitglied einer großen Chemiefirma, das weiterhin Fluorchlorkohlenwasserstoffe produzieren läßt. Denn die wahren Schuldigen gibt es ja nicht.“ Hasenkamp versuchte derweil auch, Vertreter der Bundestagsparteien für seine Kampagne zu gewinnen. Beim Vorsitzenden des Entwicklungspolitischen Ausschusses, Uwe Holtz (SPD), stieß er ebenso wie bei den Grünen auf ein offenes Ohr. In welchem Ausmaß die Firma des designierten Verbandschefs am Tropenwald mitsägt, zeigen etwa die stolzen Bilanzen der brasilianischen Filiale Andreas Stihl Moto–Serras in Sao Leopoldo. Zielgerecht im Lande der großen Urwaldrodung plaziert - wie auch der Ableger in Australien - verkaufte sie im Jahre 1986 110.000 Sägen, wovon 15.000 in andere lateinamerikanische Länder exportiert wurden. Voller Bewunderung schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung, daß die Schwaben „zwischen Amazonas und Pampa mit weitem Abstand die Nummer eins“ seien: „Drei von vier handlichen Motorsägen, mit denen die aufgeforsteten Pinien– und Eukalyptuswälder im Süden und der Urwald im Norden umgelegt werden, stammen von der Andreas Stihl Moto–Serras.“ In ihrem Firmenprospekt reklamiert man eine Haltung, die über die reine Gewinnorientierung hinausgeht: „Malaysischer Urwald oder afrikanischer Busch: Dort arbeiten Menschen im Holzeinschlag, deren Eltern den Sprung von der Steinzeit in die Gegenwart vollzogen haben.“ Das sechs Seiten zuvor abgedruckte Kapitel unter der Überschrift „Umweltschutz: Kein Schlagwort“ ist spätestens an dieser Stelle vergessen. Stihl–Sägen sind dabei, wenn in Kürze der Urwald in der malaysischen Provinz Sarawak auf der Insel Borneo gerodet wird. Der Kahlschlag dort ist nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkten fragwürdig. Hier soll ein gigantischer Staudamm entstehen, um über ein 600 Kilometer langes Unterwasserkabel Strom zur schnelleren Industrialisierung der Halbinsel Malaysia zu liefern. 1.000 Angehörige des bislang autark und archaisch lebenden Dayak– Volkes müssen diesem Mammutprojekt weichen. In anderen Regionen Sarawaks haben die Ureinwohner den von Stihl so geschätzten und von seinen Sägen angespornten „Sprung von der Steinzeit in die Gegenwart“ schon vollziehen müssen. Ende vergangenen Jahres traf ein Bittbrief aus Sarawak in Waiblingen ein - vom Schweizer Bruno Maser, der seit drei Jahren beim Nomadenstamm der Punan wohnt, die sich verzweifelt gegen die Heerscharen kommerzieller Holzfäller wehren: „Das Maß der Zerstörung könnte nie den bedrohlichen Umfang annehmen ohne das technische Werkzeug, welches Ihre Firma liefert, und mit dem andere die Kulturen auszulöschen im Begriffe sind. In diesem Sinne will ich an Ihr Verantwortungsbewußtsein appellieren. Ähnlich wie ein Forscher ein Stück Verantwortung mitzutragen hat über die Anwendung seiner Erfindungen.“ Diese wies Stihl in seinem Antwortbrief jedoch brüsk zurück, die Verantwortung trügen „die malaysischen zuständigen Stellen“. Inzwischen haben sich auch der Bundesverband für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie bundesdeutsche Regenwälder–Initiativen dem Protest gegen Stihl angeschlossen. Aktuelle Zahlen über die Gesamtproduktion gibt das Waiblinger Unternehmen nicht heraus. Immerhin ist soviel bekannt, daß man im Jahre 1971 mit 340.000 Stück Jahresproduktion den weltweit ersten Rang eroberte, und vom Gesamtumsatz 87 Prozent zum Holzeinschlag im Ausland eingesetzt werden. Der weltweite Vertrieb und Betrieb seiner Produkte begeistert den Schwaben Stihl. Sein Motto entlehnte er der Protzerei aus der Kolonialzeit: „Für Stihl–Sägen geht die Sonne nicht unter.“ Ob dem Sägenfabrikanten der Doppelsinn seiner Worte klar ist? Wenn dereinst die Regenwälder der Welt auf Naturschutzparks zusammengeschrumpft sind, dürfte auch der Regen selbst Seltenheit geworden sein. Dann wird mehr Sonne auf Stihl–Sägen scheinen, als ihren Produzenten und Benutzern lieb sein kann.

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