: Ausbildung auf dem Trockendock
■ Arbeit in einer Männerdomäne? / Für die weiblichen Azubis auf der Hamburger Werft Pohl & Jozwiak ist das kein Problem / Kämpfen muß die Belegschaft aber zur Zeit um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze
Von Irene Stratenwerth
Als ich auf der Rückfahrt über die Hamburger Kölbrandbrücke weit unter mir die Docks, die Industrieanlagen und die weitverzweigten Wasserstraßen des Hamburger Hafens liegen sehe, überlege ich, ob dies denn eigentlich ein Thema für die taz–Frauenseite ist: Zwei Stunden lang haben mir vier Frauen von der Werft Pohl & Jozwiak ihren Arbeitsplatz gezeigt und von ihren Erfahrungen als erste weibliche Maschinenschlosser/Industriemechaniker–Auszubildende auf einer Hamburger Werft erzählt. Gemeinsam mit den Männern, die unter den 121 Beschäftigten des Betriebes weitaus in der Überzahl sind, kämpfen sie zur Zeit darum, daß dieser Arbeitsplatz erhalten bleibt. Denn Pohl & Jozwiak hat zum 15. März 1988 Konkurs angemeldet. Als sie im Laufe unseres Gesprächs von den Nacktphotos erzählen, die an den Metallspinden mancher Männer im Betrieb hängen, greift eine der Frauen in die Tasche und zieht ihr Schlüsselbund hervor: „Ich hab dafür das hier!“ Ein keines, hölzernes Faß hängt daran, aus dem auf Knopfdruck ein kleines Männchen mit großem Penis hervorklappt. Ein älterer Kollege, der unserem Gespräch in der Werkskantine kurz und interessiert zugehört hat: „Das finden wir Männer an den Frauen hier Spitze - daß die nicht auf den Mund gefallen sind.“ Nicole war vor der Ausbildung vier Jahre lang Fabrikarbeiterin, Karen hat ihr Studium geschmissen. Ina wollte nach dem Hauptschulabschluß Kfz–Mechanikerin werden, fand aber keine Lehrstelle. Julias Traumberuf war Krankengymnastin - doch als sie im Arbeitsamt ihre Bereitschaft signalisierte, einen Männerberuf zu lernen, wurde sie ruck–zuck auf die Werft vermittelt: „Und jetzt will ich das hier auch durchziehen.“ Der Ausbildungsmeister, der sich für die Ausbildung der Mädchen stark gemacht hat, hat noch immer Schwierigkeiten, weibliche Lehrstellenbewerberinnen zu finden. „Tatsächlich kannst du als Frau in dem Beruf nicht alt werden“, meint Ina. Das ständige Heben von schweren Lasten geht auch Männern an die Substanz - neun Kol legen haben derzeit einen Antrag auf Frührente gestellt. „Aber als Frau mußt du dir halt irgendwann überlegen, ob du noch Kinder haben willst.“ Überhaupt, meinen die Frauen, seien ihnen die Gefahren beim Umgang mit schweren Lasten und gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen eher bewußt als den Männern. „Am Anfang“, erzählt Ina, die jetzt schon als Gesellin bei P & J arbeitet, „hab ich es mir aber auch ganz schön schwer gemacht, um zu beweisen, daß ich alles genausogut kann wie ein Mann. Bis die Kollegen gesagt haben: Mensch, mach es dir doch leichter und hol dir Hilfe.“ Im Augenblick gibt es bei Pohl & Jozwiak nicht viel zu heben. Das Trockendock ist leer wie die große Fertigungshalle. Im Wasser dümpelt beschäftigungslos das Reparaturboot „Fitzgeraldo“, das die Auszubildenden selbst gebaut haben. Damit haben sie sich dem Hamburger Rathaus kürzlich von der Wasserseite genähert, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Denn der Konkurs ist keine zwangsläufige Folge der allgemeinen Krise im Schiffsbau. Schon seit Jahren kümmert sich die Werft mit einigem Erfolg um Aufträge aus anderen, zivilen Bereichen: um den Umbau von Island–Trawlern (Fischereischiffen) und Hafenschlick–Aufbereitungsanlagen zum Beispiel. Doch dabei hat sie, so der Betriebsrat, „Lehrgeld zahlen müssen“, und jetzt, wo die Aufträge da wären, fehlt eine Vorfinanzierung von 1,5 Millionen Mark, um sie auch ausführen zu können. Ein Betrag, den die Hamburger Bürgerschaft als Kredit für die Werft nicht genehmigen wollte. Empört rechnet der Betriebsrat die zig Millionen dagegen, die andere Großbetriebe als Subventionen kassierten und dennoch weiter Arbeitsplätze abbauten. Doch resignativ ist die Stimmung im Betrieb zur Zeit nicht. „Heute nachmittag wollen wir damit anfangen, unsere Kantine zu renovieren“, sagt Nicole, „das ist für mich auch ein Zeichen dafür, daß wir wollen, daß es hier weitergeht.“ Auch die Dusche für die Frauen - deren Fehlen oft der formale Hinderungsgrund für die Ausbildung von Frauen ist - haben die Auszubildenden selbst eingebaut und gekachelt. „Von dem, was unter den eingeschränkten Bedingungen hier läuft, könnten sich die Großbetriebe mal eine Scheibe abschneiden“, sagt Nicole. Bei Blohm und Voss, der größten Hamburger Werft, hieße es nur: „Mädchen und Hauptschüler sind zu doof für die Ausbildung.“ Bei Pohl & Jozwiak sind zwanzig Prozent der Beschäftigten in der Ausbildung, mehr als in irgendeinem anderen Betrieb im Hafen. Und hier werden auch Sonderschüler ausgebildet, die sonst nirgendwo unterkommen. Und die Zusammenarbeit von Frauen und Männern? „Man muß bei den Sprüchen der Männer schon mal weghören“, meint Nicole, „aber mit den Frauen in der Fabrik war das eher noch härter.“ Hier nervt gelegentlich die übermäßige Hilfsbereitschaft der Männer, wenn sie all ihre besten Tricks an die Frau bringen wollen. Die Vorstellung, nur mit Frauen zusammen zu lernen, findet Karen „an sich ja ganz gut. Aber es ist auch eine Art Schulung zu lernen, mit Männern zu arbeiten.“ Fußfassen in der Männerdomäne Die Ausbildung vor Ort, auf der Werft, ist für die Frauen wohl auch fast die einzige Chance, im Beruf wirklich Fuß zu fassen. Frauen aus überbetrieblichen Ausbilungsstätten - wo es auch reine Frauenlehrgänge gibt - haben auf dem Arbeitsmarkt schlechte Karten. Bei Pohl & Jozwiak werden die Auszubildenden in der Regel als Gesellen übernommen. Doch Ina mußte eine extra Probezeit–Runde drehen, bevor sie endlich einen festen Arbeitsvertrag bekam. „Das beste Beispiel, wie ernst die Frauen hier genommen werden, sind Ina und Nicole“, sagt Julia. Ina wurde von den Metallschlossern in den Vertrauenskörper gewählt, Nicole ist Jugendvertreterin für zwanzig männliche und drei weibliche Lehrlinge. Das Flugblatt der Belegschaft hat als Motiv ein Photo der drei Frauen vor einem aufgedockten Schiff. Im Augenblick hofft die Belegschaft noch darauf, die Kreditkommission der Bürgerschaft umstimmen zu können. „Wir haben uns gedacht“, sagt Nicole, „daß sich hier dann natürlich auch einiges ändern müßte. Zum Beispiel der Umgang mit Maschinen - da wird sich meistens erst drum gekümmert, wenn die schon kaputt sind und nichts mehr zu machen ist.“ Auch einer Werft kann weiblich–haushaltendes Denken offenbar nicht schaden. Zum 800. Hafengeburtstag im kommenden Jahr bereitet eine Gruppe von Frauen im „Museum der Arbeit“ derzeit ein großes Wandbild zum Thema Frauen vor. Dabei wird es viel um Frauen als dienstbare Geister, als Seemannsfrauen, Prostituierte, Fischereiarbeiterinnen und Kaffeeleserinnen gehen. Beim Kampf um die Pohl & Jozwiak Werft geht es zur Zeit auch darum, ob Frauen als Werftarbeiterinnen bloß eine geschichtliche Fußnote bleiben.
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