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„Jeder Lkw ist ein Gefahrgut“

Dieter Teufel vom Umwelt- und Prognose-Institut Heidelberg zum Maßnahme-Paket der Bundesregierung nach Herborn / „Hohes Gesamtrisiko durch den Lkw-Verkehr“  ■ I N T E R V I E W

taz: Was taugt das von der Bundesregierung nach Herborn beschlossene Maßnahme-Paket?

Dieter Teufel: Wenn man sich die Zahlen ansieht, stellt man fest, daß Verkehrsminister Warnke sieben Mio Tonnen gefährlicher Güter auf die Schiene verlegen will. Das sind 18 Prozent im Fernverkehr und drei Prozent der Gefahrgüter insgesamt. Warnkes Politik, aber auch die öffentliche Debatte sind dabei viel zu sehr auf die Gefahrgüter fixiert. Die Statistik zeigt dagegen, daß der gesamte Lkw-Verkehr ein Gefahrgut ist. Dieser Lkw-Verkehr fordert 30mal so viele Verkehrsopfer pro Tonnenkilometer wie der Bahntransport. Und wenn man jetzt den gesamten Umfang des Lkw-Verkehrs betrachtet, dann macht Warnkes Umverteilung auf die Schiene gerade mal 0,3 Prozent aus. Das ist also ein Witz.

Wird diese geringe Umverlagerung wenigstens stattfinden? Greift Warnkes Paket überhaupt?

Da muß man abwarten. Sieht man sich die Verkehrspolitik der Vergangenheit an, also auch der sozial-liberalen Regierungen, wachsen die Zweifel. Da waren viele Ankündigungen und Beschlüsse und wenig Ergebnisse.

Es gibt vier Kernpunkte im Warnke-Paket. Einer lautet: Ab 1991 werden hochgefährliche Güter bei Entfernungen über 400 km nur noch im Huckepackverkehr (Bahntransport von Lkw) befördert.

Nehmen Sie mal eine Stadt wie Frankfurt. Dann sehen Sie, daß fast alle Wirtschaftszentren ohne Überschreitung der 400 km-Grenze erreichbar sind. Hier müßte die Vorschrift, wenn man es wirklich ernst meint, auf 100 km herabgesetzt werden.

Ein anderer Kernpunkt sieht vor, daß ab Mitte 1988 leicht entzündbare Flüssigkeiten bei vorhandenem Gleis- oder Hafenanschluß ab 100 km auf die Bahn sollen.

Die Vorschrift ist sinnvoll, aber die Koppelung an vorhandene Güterbahnhöfe ist problematisch. Jedes Industrieunternehmen, das keinen direkten Gleisanschluß hat, fällt aus dieser Vorschrift heraus. Und die Bundesbahn -Politik läuft hier ebenfalls völlig konträr. Die will nämlich 1.000 Güterbahnhöfe von 4.000 noch bestehenden schließen.

Bleiben die technischen Nachrüstungen für die Schwer -Laster, vom Überroll-Bügel bis zum Antiblockiersystem.

Ein Teil der beschlossenen Maßnahmen ist ohnehin schon im Markt drin. Vielleicht führt dies tatsächlich zu einer geringfügigen Verbesserung der Sicherheit. Aber dies gilt nur für die Gefahrgüter und ändert nichts am hohen Gesamtrisiko durch den Lkw-Verkehr.

Das Interview führte Manfred Kriener

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