: ZK-Ungarn will Wirtschaft radikal reformieren
■ Zentralkomitee der ungarischen KP entscheidet sich für einschneidende Maßnahmen / Mit 100.000 Arbeitslosen wird gerechnet Einheitlicher Geldmarkt gefordert / Ineffizient arbeitende Betriebe sollen aufgelöst werden / Wettbewerb im Importbereich angestrebt
Berlin (dpa/afp/taz) Das Plenum des Zentralkomitees der ungarischen KP hat sich gestern mit nur drei Gegenstimmen für eine radikale Wirtschaftsreform ausgesprochen. Zur Abstimmung hatten zwei Varianten gestanden. Die abgelehnte Version hätte nur den Ausgleich der Handelsbilanz gebracht, jedoch mit geringeren sozialen Folgen. Die Arbeitslosenzahl wäre nur um die Hälfte der jetzt zu erwartenden gestiegen.
Die nun beschlossene Variante wird rund 100.000 Arbeitslose in Ungarn in Kauf nehmen. Ziel ist, einen einheitlichen Geldmarkt zu schaffen und ineffizient arbeitende Betriebe aufzulösen. Miklos Nemeth, zuständiges Politbüromitglied und ZK-Sekretär, hatte zu Beginn der Aussprache vier Voraussetzungen für das Gelingen der Reform genannt. Nötig sei die Etablierung echter Rohstoff-, Kapital- und Arbeitsmärkte, einschließlich des Wettbewerbs im Importbereich sowie die Aufhebung nutzloser Restriktionen zugunsten von mehr Handlungsfreiheit für die Unternehmen.
Weiterhin nannte er die Schaffung von starken Wirtschaftsanreizen durch die Kombination von strikten monetären und fiskalischen Steuerungselementen und die Rolle des Staates als Garant für den Wettbewerb außerhalb des öffentlichen Sektors. Diese radikale Version wird nun von Experten etwa zwei Monate lang überarbeitet werden.
In seiner Abschlußrede wies Nehmet gestern auf das Problem internationaler Kredite hin, die Ungarn für die Modernisierung seiner Wirtschaft dringend braucht. Internationale Finanzkreise müßten jetzt für die Reformpläne gewonnen werden.
In der Debatte über die beiden Alternativen gab es allerdings eine Reihe von Rednern, die weder das eine, noch das andere Modell haben wollen. So befürchtet der Präsident der ungarischen Nationalbank, Ferenc Barta, daß Ungarn in beiden Fällen nicht die notwendigen Kredite bekommen wird.
Auch Industrieminister Frigyes Berecz lehnte beide Konzepte ab. Er wies darauf hin, daß die Reform zunächst einmal Arbeitslosigkeit, Inflation, höhere Lebenshaltungskosten und damit soziale Spannungen bringen würde.
Neben der Wirtschaftsdebatte standen in der erstmals öffentlich von Fernsehen und Rundfunk übertragenen Sitzung des Zentralkomitees auch Entscheidungen über die Gesetzentwürfe zur Versammlungs- und Vereinsfreiheit zur Diskussion. Damit wird der Grundstein für die von der Staatsführung gewünschte unabhängige Gewerkschaftsbewegung gelegt, die auch ein Streikrecht bekommen soll.
flo
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