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A U S D E M U R W A L D

Ich war sehr glücklich, als ich eine Putzstelle fand. Bei einer jungen Sekretärin und ihrem Ehemann. Als ich das erste Mal zu ihnen kam, führte mich die junge Frau durch die Wohnung und zeigte mir mit vielen Worten, wie man den Kühlschrank öffnet und die Klosettspülung betätigt. Sie behandelte mich wie jemanden, der geradewegs aus dem Urwald kommt.

Ich glaube, ich habe einen großen Fehler begangen, indem ich mich in diesem Land als vollwertiges menschliches Wesen betrachtete. Aber wie hätte ich voraussehen können, daß ich in dem Augenblick, wo ich aus meinem „afrikanischen Urwald“ nach Europa komme, ein wilder und ungebildeter Untermensch werde, kriminell und aids-krank. Ja, das ist es, wofür viele Deutsche die Afrikaner halten.

Seit die Leute Angst vor Aids haben, ist es für uns Afrikaner noch schwieriger geworden. Jetzt geschieht es ständig, daß in der U-Bahn oder im Bus der Platz neben mir freibleibt. Die Leute wollen die Stange nicht mehr anfassen, an der ich mich festhalte. Im Supermarkt stand am Ausgang eine Frau und wartete auf einen Einkaufswagen. Ich schob ihr meinen hin, sie lehnte verlegen ab.

Die Hausfrau, für die ich mittwochs putze, richtet es neuerdings so ein, daß die Küche schon sauber ist, bis ich komme. Daß ich nicht mehr mit ihnen zu Mittag essen soll, traut sie sich noch nicht zu sagen. Aber letzte Woche hat ihr erwachsener Sohn zum ersten Mal beim Tischabdecken meinen Teller stehen lassen.

(Eine Afrikanerin in Berlin)

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