: Eine Scherbe für den Kapitän
Zeugenaussage im „Hamadi-Prozeß“ / Rätsel um Klirren im Waschraum des entführten Flugzeugs / Geiseln wurden von den Entführern beklaut / Entspannung erst nach Auftritt der Amal-Miliz ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Peter W.Hill saß am 14.Juni 1985 in der TWA-Maschine, die von Muhamad Ali Hamadi und einem zweiten Araber nach Beirut und Algier entführt wurde. Der 60jährige Mann, in dessen grauen Haarkranz sich deutlich der Rand einer Hutkrempe eingedrückt hat, spricht eine plakative, holzschnitthafte Behördensprache. Er berichtete gestern Vormittag vor der Jugendstrafkammer in Frankfurt über die drei Tage, die er in dem Flugzeug zubrachte - die meiste Zeit auf Befehl der Entführer „mit dem Kopf auf den Knien“.
Hill war damals Leiter einer christlichen amerikanischen Reisegruppe, mit der er den Nahen Osten besucht hatte. Er saß in einer der hinteren Reihen des Flugeuges auf dem Sitz 30 D, direkt neben den Entführern. Er habe gesehen, wie Hamadi noch vor dem Start der Maschine mit seiner blauen Reisetasche in den Waschraum gegangen sei, berichtete er. Dort habe er ein lautes Klirren gehört. Kurz nach dem Start seien die beiden Entführer dann aufgestanden. Hamadi habe zwei Handgranaten in der Hand gehabt, sein Komplize nur eine Handgranate und eine verchromte, helle Pistole, „very macho“. Hill versuchte, als er nach 18 Stunden Gefangenschaft das erste Mal zur Toilette gehen durfte, auf eigene Faust die Ursache des Klirrens zu ergründen, das er vor der Entführung gehört hatte. Zwischen Exkrementen sei er auf den Knien in der Toilette herumgekrochen und habe nach Scherben gesucht. Einen der zwei Splitter, die er fand, gab er in einem unbeobachteten Augenblick an den Flugkapitän weiter.
Hill schilderte, wie zwei Passagiere in das geräumte Erste -Klasse-Abteil gebracht wurden. Einer der beiden sei „mit völlig deformiertem Kopf“ zurückgekehrt. Er habe vorher das Geräusch von Schlägen gehört. Den anderen, den später ermordeten Marinetaucher Robert Stethem, habe er nicht so genau gesehen, aber das Geräusch eines Schusses gehört und später auch eine große Blutlache am Vorderausgang des Flugzeuges entdeckt.
Zu den beiden Entführern sagte Hill aus, Hamadis Begleiter sei „der Klügere“ gewesen. Der Mann, der von dem Angeklagten „der Chef“ genannt wird, habe aber nicht den Eindruck gemacht, daß er Hamadi kommandiere: „Die sind gleichberechtigt gewesen.“ Die beiden Männer hätten, während die Maschine zwischen Algier und Beirut pendelte, alle Passagiere nacheinander nach vorne geholt und ausgeraubt, „wie gemeine Diebe“.
Entspannt habe sich die Situation erst, als bei der zweiten Landung in Beirut 12 bis 15 Bewaffnete der Amal-Miliz an Bord gekommen seien. Sie hätten beim letzten Flug nach Algier nur noch 28 Gefangene zu bewachen gehabt, über 100 Menschen durften die Maschine nach und nach verlassen. Auch die Amal-Männer seien bewaffnet gewesen, „je kleiner, um so mehr mit Handgranaten behängt“. Am dritten Tag nach der Entführung sei er mit den anderen in Beirut aus dem Flugzeug gebracht und noch zwei Wochen lang festgehalten worden.
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