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„Wenn Botha trickst, kommt es ihn teuer zu stehen“

■ Der Präsident der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO, Sam Nujoma, schätzt die derzeit in Brazzaville (Kongo) stattfindenden Verhandlungen über Angola/Namibia optimistisch ein / Das Interview mit Nujoma führte Knut Pedersen

taz: Die Unabhängigkeit Namibias scheint in greifbare Nähe gerückt, und möglicherweise könnten Wahlen bereits nächsten Juni stattfinden. Glauben Sie daran?

Nujoma: Im Juni oder etwas später - es gibt da wenig Gewißheit. Aber die Verhandlungen sind sehr weit gegangen, und wenn in Brazzaville ein Abkommen zustandekommt, dann könnte die UN-Resolution 435 tatsächlich ab 1.November in die Tat umgesetzt werden.

Was bedeutet das für die SWAPO?

Konkret heißt das zunächst einmal, daß die SWAPO und Südafrika sich auf einen Waffenstillstand einigen müssen, der ab 1. November ja in Kraft treten soll - so steht das jedenfalls in der UN-Resolution 435. Was uns betrifft, so sind wir dazu bereit. Wir haben sogar einseitig das Ende aller Feindseligkeiten erklärt: Seit Wochen schon haben unsere Kämpfer Anweisung, nur noch im Verteidigungsfalle von ihren Waffen Gebrauch zu machen.

Warum sollte Botha heute bereit sein, Namibia tatsächlich in die Unabhängigkeit zu entlassen?

Die Regierung in Pretoria gibt heute täglich zwei bis drei Millionen Dollar aus, um Namibia zu verwalten. Mehr als 100.000 Soldaten sind dort fest stationiert. Selbst das reiche Südafrika kann sich diesen Luxus nicht ewig leisten. Und dann müssen Sie auch an die Niederlage in Cuito Cuanavale denken (diese strategische Ortschaft im Südosten Angolas wurde von südafrikanischen Einheiten monatelang vergeblich angegriffen, die Redaktion): die Südafrikaner haben dort eine schwere Schlappe eingesteckt und sind über die Grenze nach Namibia zurückgewichen. Das hat Pretoria nachdenklich gemacht. Ebenso die zunehmende Zahl von Kriegsdienstverweigerern. Heute wollen nicht einmal mehr die weißen Südafrikaner für das Rassistenregime kämpfen.

Aber ist das für Pretoria ein ausreichender Grund, um Namibia aufzugeben und Sam Nujoma in Windhoek an die Macht kommen zu lassen?

Ob sie wollen oder nicht, wir kommen an die Macht! Wenn die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen sind, bringen uns die Wahlen an die Macht.

Sind Sie da so sicher...?

Warum sollte ich es nicht sein? Tausende kommen heute zu uns, um mit uns zu kämpfen, und wenn es nötig ist, für die Unabhängigkeit Namibias ihr Leben zu lassen. Morgen genügt es, den richtigen Zettel in die Wahlurne zu werfen. Das ist viel einfacher. Also, warum sollten sie es nicht tun?

Und wenn Südafrika in letzter Minute den Übergang zur Unabhängigkeit sabotiert? Es wäre schließlich nicht das erste Mal...

Aber sicher das letzte Mal! Die Bevölkerung Namibias übrigens auch die Weißen - haben die südafrikanische Kolonisierung gründlich satt. Seit März sind die Schüler und Studenten im Streik gegen die südafrikanische Militärpräsenz. Wenn Botha jetzt noch einmal faule Tricks versucht, wird es ihn teuer zu stehen kommen. Die SWAPO kann jeden Tag eine Division von Guerillakämpfern ausheben. Und wir sind bereit, bis zum bitteren Ende zu kämpfen.

Und wenn es tatsächlich zur Unabhängigkeit kommen sollte, sind Sie vorbereitet ?

Wir könnten morgen die Verwaltung und Regierung Namibias übernehmen. Wir werden bei den ersten, von den Vereinten Nationen überwachten Wahlen neben vielen anderen Parteien antreten. Dann wird man weitersehen. Wenn es eine Opposition gibt - und selbst wenn sie zahlenmäßig unbedeutend ist werden wir sie respektieren.

Welchen wirtschaftspolitischen Kurs werden Sie einschlagen?

Die Wirtschaft Namibias wird von ausländischen - und vor allem südafrikanischen - Firmen beherrscht. Auf jeden Fall werden wir neue Vertragsbedingungen aushandeln. Es wird dabei um Besteuerung und Rückinvestition erwirtschafteter Gewinne in Namibia gehen - wir haben schließlich nicht umsonst gekämpft. Wenn es nötig ist, werden wir verstaatlichen. Aber wir achten grundsätzlich Privateigentum.

Wird die SWAPO im unabhängigen Namibia Militärbasen des ANC dulden?

Der ANC kämpft in Südafrika, ohne über Militärbasen in Namibia zu verfügen. Wir werden diesen Kampf unterstützen, aber kein namibischer Soldat wird die Grenze überqueren, um gegen das Apartheidsregime in Südafika zu kämpfen.

Herr Nujoma, Sie haben mehr als 20 Jahre im Exil gelebt. Was würde die Unabhängigkeit Namibias für Sie persönlich bedeuten?

Es wäre der schönste Tag meines Lebens. Ein Tag, für den ich so lange gekämpft habe, gemeinsam mit all den Gefährten, die mein Leben im Exil geteilt haben.

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