: Seh'n oder Nichtseh'n
■ III nach 9 am Freitag: Chrrchrrchpffffffchrrchrrpffffffchrrchrrpffffff
Es wird doch wohl zu schaffen sein, hat sich diesmal die Redaktion von III nach 9 gedacht, eine Talkshow mit den endgültig allerletzten Scharteken zu bestücken, die überhaupt nur aufzutreiben sind, für deren Denken oder Wirken sich garantiert niemand von denen interessiert, die von einer Talkshow trotz leidvoller Erfahrungen immer noch unverdrossen ein Minimum an Unterhaltsamkeit erwarten. Diese Scharteken muß man dann bloß noch den III-nach-9-Moderatoren gegenübersetzen, um den Zuschauern ganz nebenbei eine Lektion darüber zu erteilen, mit welcher geistestötenden Phantasielosigkeit sich drei Stunden Sendezeit veraasen lassen.
Axel Corti als ständig dazwischenplappernder Oberlehrer stellte seinen Laberpartnern nur deshalb Fragen, um nach den ersten drei bis vier Ant-Worten gleich wieder dazwischenzufahren mit eigenen, angeblich besseren Formulierungen. Bei seinem Gespräch mit dem ungarischen Journalisten Peter Renyi über - ja, über was eigentlich? sah man im Publikums-Hintergrund Programmdirektor Conrad unaufmerksam beiseiteschwatzen; ein anderer im Publikum blickte gähnend auf seine Armbanduhr. „Es wird auch noch weniger staatstragend bei uns werden“, versprach neckisch ein Insert auf dem Bildschirm. Das war natürlich eine glatte Lüge. Wer sich als Diskussionsrundenthema den „europäischen Binnenmarkt“ einfallen läßt und dazu eine Altherrenriege vergreist sprechpupsender Funktionäre einlädt, sollte die Finger vom Kokettieren lassen.
Michael Geyer zog der hölzernen Mutti Ulrike Nasse-Meyfarth leistungssport-kritische Splitter aus der Nase („Man ist einem gewissen Mob ausgeliefert“) und prallte mit seinem höflichen, geheuchelten Interesse an diesem in sich verzurrten, stocklangweiligen Studiogast voll ab.
Die Kamera zeigte derweil verzweifelt Baby und Gatten der Befragten, aber Kinder und Ehemänner taugen als optisches Schmiermittel auch nicht mehr, wenn eine Talkshow dermaßen auf den Hund gekommen ist.
Und wie kann man auf die Schnapsidee verfallen, Georg Thomalla einzuladen, diesen Ausbund an geckenhaft -beschränkter Wichtigtuerei? „Sie sind einer der großen Komiker. Wann ham Sie denn gemerkt, daß Sie komisch sind? Wie wird man eigentlich komisch? “, fragte die glamouröse Teppichhändlerin, die ihm gegenübersaß mit einem über die linke Schulter geworfenen, exotisch gemusterten Läufer. „Ach, Sie sind ein Zauberknochen. Und Ihre Beine sind wie die von Marlene Dietrich“, schleimte der fiese Greis, der als „Komiker“ nur bezeichnet werden kann in einem Land wie dem unseren, wo doof aufgerissene Augen und Schnellrederei schon als komische Begabung gelten. „Ich könnte Sie küssen“, drohte er der Teppichhändlerin, und die warf sogleich beglückt ihre Ware ab, um ihres Amtes als vom Manne begehrte Moderatorin zu walten.
Daß sie im übrigen ihres Amtes zu walten pflegt mit Sätzen wie „korrigieren Sie mich... helfen Sie mir... sagen Sie doch mal selber...“, muß an dieser Stelle inzwischen nicht mehr gedeutet werden: Es würde ebenso öde, ebenso überflüssig wie die Talkshow, die in ihrer Verpenntheit den öffentlichen Rahmen abgibt für Leute, die außer leerer Selbstdarstellungsgeilheit nichts zu bieten haben. Insofern war Georg Thomalla der passende Gast für den Geist von III nach 9: vergreist, geschwätzig, hirnerweichend.
Sybille Simon-Zülch
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