: Polit-Funk a l'americain
■ Gil Scott-Heron, bekannt durch seine Anti-Reagan-Songs, in denen er die amerikanische Politik als einen Hollywood-Streifen beschreibt, spielt heute im Modernes
Was macht Gil Scott-Heron wohl ohne Ronald Reagan? Auf diesen „Kopfschmerz der Weltpolitik“ hatte sich der Sänger prächtig eingeschoßen, bekannt wurde er besonders durch seine Anti-Reagansongs: „Re-Ron“ gegen die Wiederwahl des Präsidenten, und „B-Movie“, indem er die amerikanische Politik als billigen Film beschreibt: weil John Wayne nicht mehr zur Verfügung stand, mußte das Land mit einer zweitklassigen Ausgabe des amerikanischen Helden vorlieb nehmen. Aber der geht ja jetzt in Rente und auf Bush oder gar Dukakis muß Scott-Heron erst einmal ein neuer, böser Reim einfallen.
Ansonsten braucht sich der radikalste politische Barde der USA leider keine Sorgen zu machen, daß seine Songs an Aktualität verlieren. In seinen Texten kommentiert er politische und soziale Pro
bleme, die Armut in den Städten, die Korumption. In „The Bottle“ und „Angel Dust“ beschreiben Alkoholismus und Drogensucht, und das über zehn Jahre alte „Johannesburg“ ist immer noch einer der pointiertesten Song gegen die Apartheit.
Mit seinen Texten steht Gil Scott-Heron in der Tradition der „Protest Sänger“ der sechziger Jahre -“ er reißt Stücke aus dem amerikanischen Traum“, so ein englischer Kritiker aber seine musikalischen Wurzeln liegen im Blues, Jazz und Funk. „The Blues remembers everything the country forgot“, heißt es im „Bicentennial Blues“.
Mit seinen Sprechgesängen über Funk-Rhythmen war er ein Vorläufer des Raps, nur seine weiche Soul-Stimme, die eher an Bill Withers als an die Fat-boys erinnert, verschonte ihn vor ei
nem modischen Erfolg in dieser Szene.
Seine Konzerte sind Streifzüge durch die verschiedenen Stilrichtungen schwarzer amerikanischer Musik, „Ein Wissenschaftler im Gebiet der Bluesologie“ nennt Scott-Heron sich ironisch selber und seine Band war immer mit hochkarätigen Jazz und Funkmusikern besetzt. „A more bad-ass bunch of jazzed-up funksters would be hard to imagine“ ist das unübersetzbare Urteil von Sean O'Hagan.
Ein neues Album wird Scott-Heron im Anschluß an diese Tournee produzieren, und einige neue Titel daraus sind heute abend zu hören. Man darf gespannt sein, was ihm zum Amerika nach Ronnie eingefallen ist.
Willy Taub
Modernes, 20 Uhr
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