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Reagan taktiert mit Chemiewaffen

US-Präsident schlägt der UNO-Generalversammlung in New York Konferenz über Stopp der Verbreitung chemischer Waffen vor In Genf blockieren die Vereinigten Staaten die Verbotsverhandlungen / Auch Dukakis nur für ein Ende der C-Waffen-Verbreitung  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Vor der UNO-Generalvollversammlung in New York wollte US -Präsident Reagan gestern abend eine Chemiewaffenkonferenz vorschlagen, auf der über einen Stopp der Verbreitung chemischer Waffen, vor allem in der Dritten Welt, verhandelt werden soll. In der letzten Rede seiner Amtszeit richtete Reagan seinen Vorschlag an die 105 Unterzeichnerstaaten des Genfer Protokolls von 1925, das den Einsatz chemischer Waffen in einem Krieg ächtet. Er begründete seinen Vorschlag mit dem Einsatz chemischer Waffen durch den Irak und mit der Erosion des Genfer Protokolls. Nach Informationen des weltweit anerkannten Chemiewaffenexperten J.P. Robinson von der britischen Sussex Universität besitzen USA, UDSSR, Frankreich und Irak einsatzfähige Chemiewaffen. Ägypten, Iran, Israel, Lybien, Nord - und Südkorea sowie Taiwan haben oder entwickeln sie derzeit. Afghanistan, Birma, Chile, China, Kuba, Äthopien'Pakistan, Thailand und Vietnam versuchen in den Besitz chemischer Waffen zu gelangen. Weitere zehn ungenannte Staaten erwägen die Anschaffung. Eine interne Aufstellung des US-Geheimdienstes nennt zusätzlich noch Syrien als C-Waffenbesitzer.

Reagan erklärte zwar, die von ihm vorgeschlagene Konferenz solle die Genfer Verhandlungen über ein weltweites Verbot der Chemiewaffen nicht ersetzen. Doch ist sein Vorschlag das bisher deutlichste einer Reihe von Indizien dafür, daß die USA das Ziel dieser Verhandlungen aufgegeben haben.

Reagans Vorschlag kommt nur wenige Tage, nachdem sein Chefbeauftragter für Abrüstungsfragen, Kampelmann, in Genf das Ziel dieser Verhandlungen für „nicht erreichbar, weil nicht überprüfbar“ erklärte.

Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Dukakis hat sich lediglich „für ein Ende ihrer Verbreitung“ ausgesprochen. Aus den Informationen von Rüstungsexperten wie aus Analysen der US-Geheimdienste geht hervor, daß der Export von Produktionsanlagen und chemischen Grundstoffen durch Firmen vor allem aus der BRD, Frankreich und den USA verantwortlich für die Verbreitung der C-Waffen ist. Die USA befürchten, daß „Dritt-Welt-Staaten“ bald in der Lage sind, chemische Sprengköpfe zielgenau und über weite Distanzen zu verschießen. Auch vor diesem Hintergrund sind Entwicklung und Produktion der binären „Big Eye„-Bombe zu sehen, die von US-Flugzeugen auf Ziele in der Dritten Welt abgeworfen werden kann.

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