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Keine Tabus?

■ Zweifel an der Offenheit der IG Metall

Die IGMetall will Ende Oktober auf einem „Zukunftskongreß“ ihre Modernität demonstrieren. Sie will ihre Programmatik überdenken, die gesellschaftspolitische Diskussion der letzten Jahre aufgreifen. Bei der Diskussion soll es, wie der Vorsitzende Franz Steinkühler unermüdlich betont, keine Tabus geben. Diese wohltönenden Worte muß man seit dem Wochenende mit einem dicken Fragezeichen versehen. Offensichtlich gibt es noch Tabus, welche die unerbittliche Reaktion der machthabenden männlichen Spitzengewerkschafter hervorrufen.

Die IGMetall öffnet sich zur Diskussion um ein neues Frauen - und Männerbild“, schreibt der IG-Metall-Chef in der letzten Ausgabe des IGM-Funktionärsorgans 'Der(!) Gewerkschafter‘. Hinzuzufügen wäre: offenbar nur dann, wenn dadurch die Kernbereiche gewerkschaftlicher Politik nicht berührt werden. Jede Politik, die auf Neu- und Gleichverteilung gesellschaftlich notwendiger Reproduktions und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern abzielt, kommt um eine Arbeitszeitverkürzung weit über die 35-Stunden-Woche hinaus nicht herum. Dies ist die Kernaussage der düpierten Gastrednerin Ingrid Kurz-Scherf. Und genau diese langfristige, strategische Festlegung der gewerkschaftlichen Tarifpolitik will Steinkühler derzeit nicht.

Gleichberechtigung tendenziell streikfähig zu machen, das geht den Herren Spitzengewerkschaftern denn doch ein bißchen zu weit - wenn sie überhaupt die gesellschaftspolitische Dimension derartiger Überlegungen kapieren. Das Brisante dabei ist ja nicht die Utopie einer gesellschaftlichen „Gleichheit von Frau und Mann auf allen Ebenen“ (Steinkühler). Die Sache wird dadurch zum Konflikt, daß die Utopie inzwischen in gesellschaftliche Reichweite gelangt ist, sich also hier und heute in politische Festlegungen umsetzen müßte. Aber so konkret war das mit der Offenheit wohl doch nicht gemeint.

Martin Kempe

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