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Den Politischen Bildnern gefiel's im Theater

■ Festival „Politik im freien Theater“ mit Preisverleihung abgeschlossen / Überraschend viele ausverkaufte Häuser / Politische Bildung will sich noch öfter dahin wagen, wo Leute massenhaft Freizeit verbringen

Die BundesbürgerInnen werden einfach immer kultureller. Sie gehen immer öfter und immer lieber ins Museum und ins Konzert, in Ausstellungen und in Konzerte. Nur in Seminaren, da hocken sie nicht mehr gern. Das Nachsehen haben die Zentralen für Politische Bildung, ihnen geht die Seminar -Kundschaft aus. Davon weiß Holger Ehmke, Chefplaner in der Bonner Bundeszentrale für Politische Bildung, ein Lied zu singen: „Wenn ich 'ne Veranstaltung mit Anke Fuchs mache, kommen elf Leute. Selbst namhafte Akademien füllen ihre Teilnehmerlisten mit Rentern auf.“ Holger Ehmke „reißt“ deshalb im Auftrag der Bundeszentrale für Politische Bildung „neue Zielgruppen auf“,

und dies hat er in den letzten Wochen erfolgreich getan. Gemeinsam mit der Bremer Landeszentrale machte er sich an das Theater-Publikum heran und organisierte das 1. Festival „Politik im freien Theater“ in Bremen mit. Holger Ehmke (CDU): „Man muß sich eben eingestehen, daß die Leute heute ihre Freizeit anders, kultureller verbringen.“ 1968 habe es z.B. 9 Millionen, 1987 dagegen schon 64 Millionen MuseumsbesucherInnen in der Bundesrepublik gegeben.

Gestern zogen die staatlichen Festival-Veranstalter auf einer Abschlußveranstaltung im Theater am Leibnitzplatz eine recht positive Bilanz. Dank einer Beilage im Weser-Kurier war das

Festival-Programm bestens bekannt geworden. Deutlich mehr BesucherInnen als erwartet, fast 10.000, hatten sich binnen einer Woche in sechs Spielstätten eine Auswahl aus 19 Inszenierungen und 61 Vorstellungen angeschaut. Schon gleich nach Erscheinen des Programmhefts waren - für gefrustete Politische Bildner besonders überraschend - die ersten Vorstellungen ausverkauft. Als Publikumsrenner

erwiesen sich „Kassandra“ (Packhaus) und „Der Kuß der Spinnenfrau“ (Comedia Colonia). Eine unabhängige Jury hatte andere, gut begründete Vorlieben. Den Festivalpreis vergab sie an das „Jubiläums Ensemble Bonn“, das mit dem Drama „Schuldig geboren“ von Peter Sichrowsky nach Bremen gekommen war (vgl. Rezension im untenstehenden Kasten). Den Preis für die besonders herausragende

künstlerische Einzelleistung erhielt das sehr junge „Theater Mahagoni Hildesheim“, das Handke-Texte „stilistisch kreativ“ dargeboten hatte - „Zeit zwischen Hund und Wolf“.

Rund zwanzig Prozent der ZuschauerInnen blieben regelmäßig bis 24 Uhr zum angeregten Diskutieren. Für Ehmke hat das Festival eindeutig gezeigt, „wie man Politik anders vermitteln kann“.

Barbara Debus

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