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Zusammenlegung der Politischen Gefangenen - jetzt!

■ Diese Anzeige ist ein erster Schritt von Gegenöffentlichkeit. Bisherige Versuche, über die Haftbedingungen von Politischen Gefangenen zu informieren, wurden regelmäßig kriminalisiert.

Seit 18 Jahren sind in der Bundesrepublik Deutschland Gefangene aus der RAF und aus anderen politischen Gruppierungen unter Bedingungen inhaftiert, die international als Isolationsfolter begriffen und geächtet werden.

Wir wollen das von staatlichen Organen gesetzte Tabu durchbrechen, um die demokratische Öffentlichkeit zu informieren. Niemand soll sagen können, er habe von den Vorgängen nichts gewußt.

Ziel der Haftstrafe ist allgemein die „Resozialisierung“, die Wiederintegration in die Gesellschaft, in den Arbeitsmarkt. Diejenigen, die an ihrer Ablehnung des kapitalistischen Systems festhalten, werden durch die Haft physisch und psychisch zerstört: Gegen 16 der heute einsitzenden Politischen Gefangenen wurden lebenslängliche Urteile verhängt, neun Gefangene sind in den vergangenen Jahren in den Knästen umgekommen. Neun Gefangene aus politischen Gruppierungen, daneben die vielen Namenlosen.

Die Gefangenen aus der RAF und aus anderen Gruppen kämpfen seit über 15 Jahren um die Aufhebung der Sonderhaftbedingungen, gegen die Isolation. Heute sieht die Realität so aus:

Die Gefangenen aus der RAF und zunehmend auch die aus den Kämpfen im Widerstand sind voneinander getrennt und in Gefängnissen über die BRD verteilt in Isolation. Dort, wo mehrere an einem Ort sind, wird jeder Kontakt der Politischen untereinander durch ein ausgeklügeltes Abschottungssystem verhindert (wie in Stammheim, Bielefeld, Ossendorf, Frankenthal usw.). Nur in drei Gefängnissen sind Gefangene zusammen - doch diese Gruppen wurden in den letzten Jahren immer mehr reduziert, so daß in West-Berlin jetzt nur noch zwei Gefangene zusammen sind und in Celle und auch in Lübeck nur noch drei. Jeweils im kameraüberwachten Hochsicherheitstrakt. Alle in diesen Kleingruppen sind jetzt seit über zehn Jahren in Isolation, Irmgard Möller seit über 16 Jahren. Fast alle anderen sind in Einzelisolation, und das bedeutet permanenter Zelleneinschluß, für manche 24 Stunden täglich. Ist eine Teilnahme am Gemeinschaftshof möglich, so herrscht in der entsprechenden Abteilung des Gefängnisses regelmäßig der Ausnahmezustand. Ist die Teilnahme verboten und werden dann beim Einzelhof trotzdem ein paar Worte mit anderen Gefangenen gewechselt, so bedeutet das: Rollkommando. Für viele dieser Gefangenen gibt es über Jahre überhaupt keinen direkten menschlichen Kontakt. Besuche finden hinter der Trennscheibe statt. Oft verhindern Sichtblenden auch noch den Blick auf den Gefängnishof. Dazu kommen: systematische Demütigung durch Nacktausziehen, oft mehrmals täglich. Kameras, Kontrollen, Zellenrazzien. Das alles seit vier, sechs, neun Jahren.

Von folgenden 44 Gefangenen ist uns bisher bekannt, daß sie um ihre Zusammenlegung in große, selbstbestimmte Gruppen kämpfen:

Ingrid Barabass, Isolde Bohler, Karl-Heinz Dellwo, Michael Dietiker, Gisela Dutzi, Christa Eckes, Dieter Faber, Knut Folkerts, Stefan Frey, Angelika Goder, Karl Grosser, Manuela Happe, Eva Haule, Rolf Heissler, Sieglinde Hofmann, Norbert Hofmeier, Luitgard Hornstein, Rainer Hübner, Ingrid Jakobsmeier, Ali Jansen, Thomas Kilpper, Christian Klar, Christian Kluth, Hanna Krabbe, Christine Kuby, Karin Maurer, Roland Mayer, Irmgard Möller, Brigitte Mohnhaupt, Susanne Paschen, Barbara Perau, Helmut Pohl, Erik Prauss, Dieter Renk, Gabriele Rollnik, Bernhard Rosenkötter, Mareile Schmegner, Adelheid Schulz, Andreas Semisch, Andrea Sievering, Günter Sonnenberg, Lutz Taufer, Thomas Thoene, Rolf-Klemens Wagner, Claudia Wannersdorfer.

Einige der Gefangenen sind haftunfähig:

Günter Sonnenberg wurde bei seiner Festnahme durch einen Kopfschuß schwer verletzt. Die medizinisch notwendige Behandlung der Verletzung und ihrer Folgen kann in der Haftanstalt nicht geleistet werden. Bei Angelika Goder ist seit 1986 die Notwendigkeit einer Hüftoperation bekannt. Bisherige Verfügungen, die Operation unter Staatsschutzbewachung durchzuführen, sind inzwischen korrigiert. Dennoch, die Rekonvaleszenz beinhaltet Krankengymnastik, Schwimmübungen und Gehversuche unter ärztlicher Anleitung. Eine Nachbehandlung also, die in keiner Vollzugsanstalt gewährleistet werden kann. Operation und Haftverschonung sind daher dringend geboten. Ebenfalls haftunfähig ist Bernd Rössner: Er hat in sechs Hungerstreiks um die Zusammenlegung mit anderen Gefangenen aus der RAF gekämpft; die strenge Isolation seit seiner Verhaftung 1975 hat seinen Gesundheitszustand stark angegriffen.

Bei Claudia Wannersdorfer, die in Aichach einsitzt, sind aufgrund der Isolationshaft, die den Körper unter Dauerstreß setzen, epileptische Anfälle aufgetreten. Während eines Anfalls besteht erhöhte Unfallgefahr, vor allem dann, wenn nicht sofort Hilfe geleistet wird. Ständige ärztliche Beobachtung und eine vorsichtige Medikamentation sind erforderlich. Deswegen muß Claudia Wannersdorfer umgehend entlassen werden.

Immer wieder taucht die Frage auf, warum sich Menschen besonders um die Haftbedingungen der Politischen Gefangenen sorgen. Teilweise wird ein elitäres Bewußtsein kritisiert. Dazu stellen wir fest:

Die geschilderten Haftbedingungen und -verschärfungen (Isolation, Arrest, Bunker, ungenügende medizinische Behandlung, Brief- und Besuchsverbote) treffen nicht nur Politische Gefangene. Auch alle anderen, die den Knast nicht widerstandslos über sich ergehen lassen, unterliegen ihnen. Bei den Politischen Gefangenen gelten diese Sonderhaftmaßnahmen jedoch vom ersten Tag ihrer Festnahme an, sie werden systematisch durchgeführt.

Im vergangenen Herbst haben Frauen im Reformknast Plötzensee gestreikt, nach kurzer Zeit unterstützten 60 Frauen den Hungerstreik und forderten: „Freie Entscheidung über das wie und mit wem Zusammenleben innerhalb des Knastes; das soll auch heißen: Aufhebung der Iso- und Gettohaft.“ Eine Forderung, die wir ebenso für alle darum kämpfenden Gefangenen unterstützen wie die Forderung nach freier Arztwahl.

Mit dem Wissen, daß die Haftbedingungen der Politischen Gefangenen gegen internationale Vereinbarungen verstoßen, bleibt den verantwortlichen Regierungsvertretern nur der Weg der Verschleierung und Unwahrheit: Bei der Anhörung zur Lage der Menschenrechte in der Bundesrepublik im April 1986 vor dem Menschenrechtskomitee der UNO antwortete Stoecker (Bundesjustizministerium) auf Fragen zur Isolation, die Gefangenen seien gar nicht in Einzelhaft, sondern tagsüber in kleinen Gruppen zusammen. (Zum Schluß der Anhörung sagte das sowjetische Mitglied im Ausschuß, die BRD sei offensichtlich bestrebt gewesen, den Ausschuß hinters Licht zu führen.)

Bereits 1975 stellten drei von den Gerichten in Hamburg, Stammheim und Kaiserslautern bestellte Sachverständige die verheerende Wirkung der Isolationshaft fest. Einer der Gutachter, Professor Wilfried Rasch, schreibt dazu im Juni 1976 in der Monatszeitschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform: „Durch Zusammenlegung einer Gruppe von 15 bis 20 Häftlingen würde ein soziales Feld angeboten, das ein realisierbares Maß an Interaktion erlaubt. (...) Nachdem erkannt und anerkannt ist, daß die Bedingungen strenger Isolation geeignet sind, Schäden zu setzen, die das „normale“ und für unvermeidlich erachtete Maß übersteigen, sollten alle Anstrengungen gemacht werden, die Haftbedingungen der politisch motivierten Gefangenen grundlegend zu ändern.“

Schreib- und Besuchsverbote werden regelmäßig mit der „rechtsfeindlichen Haltung“ der Antragsteller begründet. Dieselbe Begründung muß herhalten, um die Gesuche zur Zusammenlegung von Gefangenen abzulehnen. Propagiert wird von einzelnen Anstaltsleitern der „Normalvollzug“. Beispielsweise wurden Gabriele Rollnik und Angelika Goder nach Plötzensee verlegt. Vorher wurden allerdings vorbereitende Maßnahmen getroffen. Umbauten im Wert von 17.000 Mark, um den Kontakt zu den anderen Gefangenen zu unterbinden. Der Anstaltsleiter hat „erwogen, den Strafgefangenen Besuchskontakte mit anderen im übrigen Anstaltsbereich inhaftierten Gefangenen zu ermöglichen...“

Wir fordern die Zusammenlegung, um die Gesundheit der Inhaftierten zu schützen. Wir fordern die Zusammenlegung auch, um die programmierte Isolation aufzuheben, um Kollektivität als Voraussetzung solidarischen Zusammenlebens durchzusetzen. Nicht die Politischen Gefangenen sind das Problem dieser Gesellschaft. Die International Progress Organisation, mit beratender Funktion beim Rat für wirtschaftliche und soziale Fragen der UNO und UNESCO, stellte in ihrer Genfer Erklärung im März 1987 fest: „Die flagranteste Form des internationalen Terrorismus besteht in der Vorbereitung auf atomare Kriegsführung, insbesondere in der Verbreitung atomarer Zerstörungspotentiale bis in den Weltraum und in fieberhaften Bemühungen um Erstschlagskapazitäten. Terrorismus ist auch die Aussicht auf einen Holocaust, von staatlicher Macht gegen die Völker der Welt entfesselt. Der Terrorismus der modernen Staatsmacht und ihrer High-Tech-Bewaffnung geht qualitativ und in mehrfacher Größenordnung über die politische Gewalt hinaus, auf die Gruppen sich stützen, deren Ziel Befreiung und das Ende von Unterdrückung ist.“

Wir sind uns einig in der Ablehnung jeglicher Art von Folter und unmenschlicher Behandlung. Isolation ist Folter. Wir fordern deshalb:

-Abschaffung der Isolation in allen Gefängnissen der BRD, kein Knast im Knast,

-Zusammenlegung der Politischen Gefangenen in große, selbstbestimmte Gruppen, Zusammenlegung aller kämpfenden Gefangenen,

-Unbehinderte politische Information und Kommunikation,

-Freilassung von Günter Sonnenberg, Claudia Wannersdorfer, Angelika Goder, Bernd Rössner und allen haftunfähigen Gefangenen,

-freie Arztwahl für alle Gefangenen.

(V.i.S.d.P. Rosita Timm, Paulsenplatz 3, 2 Hamburg 50)

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