: „Das internationale Maß beginnt bei 170 cm“
Gespräch mit Frau Mählmann, Sachbearbeiterin für den Model-Bereich im Künstlerdienst des Arbeitsamtes ■ I N T E R V I E W
taz: Zu Ihnen kommt man nach Beendigung einer Ausbildung und hofft auf Vermittlung. Ist das nicht Aufgabe der Schulen?
Frau Mählmann: Wenn ein Kurs abgeschlossen ist, ist die Sache für das Institut erledigt. Aber zu uns kann jeder kommen; es spielt hauptsächlich das Aussehen und die Körpergröße eine Rolle, dann, ob schon jemand praktische Erfahrung hat. Eine Ausbildung interessiert im Prinzip niemanden.
Wie sieht es in Ihrer Kartei aus?
Wir haben über 300 Mädchen und 200 Männer in der Kartei, und davon haben die wenigsten eine Ausbildung gemacht. Die meisten haben aber praktische Erfahrung. Die Stammboutique der Mutter zum Beispiel hat mal die Tochter angesprochen, ob sie nicht mal an einer Modenschau teilnehmen möchte, oder ein Fotograf hat schon mal mit einem Mädchen fotografiert und sie darauf hingewiesen, zum Künstlerdienst zu gehen. Praktische Erfahrung zu erlangen, ist eigentlich so schwer nicht. Auch unsere Kunden fragen eher nach der Praxis als nach einer Ausbildung.
Wofür ist eine Ausbildung überhaupt gut?
Wenn Ausbildungen im Fotomodellbereich angeboten werden, ist das eigentlich totaler Schwachsinn, lapidar gesagt. Entweder man ist ein geeigneter Typ und läßt sich gut fotografieren und hat das Feeling dafür oder nicht. Im Mannequin- und Dressmanbereich läßt sich dagegen sehr viel lernen, z.B. wie Taschen an der Kleidung zu betonen sind, wie ein Pelzmantel gehalten wird oder wie man einen Wendemantel präsentiert. Auch die Schrittfolge und Taktgefühl für die Musik muß da sein.
Können Sie mir eine Schule nennen, die diese Informationen am besten vermittelt?
Eine Einschätzung wäre immer subjektiv. Wir können solche Wertungen einfach nicht abgeben, weil die Ausbildungsinhalte der einzelnen Schulen viel zu unterschiedlich sind. Das Model- und Personality-Studio z.B. bietet ein Teilstück einer Schauspiel- und Sprechausbildung an. Bei Helmut Lang und Peter Bloch liegt der Schwerpunkt nur in der Präsentation der Mode. Bei Susanne Erickson ist z.B. die „Schule der Dame“ dabei. Anita Nüsske selbst ist Kosmetikerin, die hat ihren Schwerpunkt im ganzen Styling neben der Präsentation auf dem Laufsteg.
Wie groß ist der Bedarf an Mannequins und Fotomodellen? Wer ruft bei Ihnen an?
Der komplette Einzelhandel, Boutiquen und Kaufhäuser mit einzelnen Fachabteilungen, z.B. Sportabteilungen. Dann der gesamte Damenoberbekleidungsbereich der Herstellerbetriebe, wenn die in Berlin ihre neuen Kollektionen präsentieren. Oder solche, die eine Modenschau ausstatten wollen, wie z.B. Choreografen.
Wo findet das statt?
Einmal auf der Messe „Berliner Durchreise“ hier in Berlin, aber überwiegend in den eigenen Räumen der Hersteller. Die machen dann Pressetermine zu den Saisons, mit zwei Schwerpunkten im Jahr, im Frühjahr und im Herbst. Dann laufen auch einzelne Veranstaltungen. Das KaDeWe macht natürlich mit seinem großen Werbeetat die Ausnahme. Die können immer mal neue Designer-Kollektionen vorstellen.
Wie sucht sich der Kunde ein Modell aus?
Die Kunden beschreiben uns, was sie machen möchten, von der Konfektionsgröße, vom durchschnittlichen Alter her, was gezeigt werden soll, in welchem Rahmen das stattfindet. Wir kennen eigentlich alle unsere Mädchen aus dem Kopf. Dem Kunden wird dann Fotomaterial vorgelegt, um eine Vorauswahl treffen zu können anhand des Typs. Wenn jemand z.B. ein rothaariges Mannequin sucht, weiß ich, daß ich ihm nicht mehr als sechs bis sieben anbieten kann. Und dann geht es auch nach Qualifikation. Nicht jeder kann eine choreografierte Show machen, nicht jeder arbeitet für 350 Mark in einer kleinen Boutique. Wir haben zu allen Models persönlichen Kontakt. Wir schauen uns auch alle Veranstaltungen an, wenn es geht, um die Mädchen beurteilen zu können.
Nach was ist Ihre Kartei geordnet?
Nach Jahrgängen und dem Alphabet. Die meisten machen beides, sowohl Mannequin als auch Fotomodell, weil der Markt in Berlin sehr klein ist. Es ist schlecht, wenn sich jemand auf einen Bereich beschränken muß.
Wenn der Künstlerdienst ans Arbeitsamt angeschlossen ist, haben Mannequins dann Anspruch auf Arbeitslosengeld?
Es gibt Berechtigte, die Arbeitslosengeld bekommen. Frauen, die bei Firmen als Hausmannequins fest angestellt sind, erwerben auch einen Anspruch. Aber das kommt nur noch selten vor. Die meisten sind Studentinnen oder „Haus„-Frauen, die ganz sporadisch tageweise mal Termine machen.
Kann es vorkommen, daß ein Kunde z.B. in der Werbung nur Porträts braucht?
Natürlich, das kommt auch mal vor. Meistens aber wird der ganze Körper benötigt. Wir haben z.B. keine Fotomodelle in der Kartei, die unter 170 cm groß sind, wo man nur Einzelteile zum Fotografieren benutzen kann. Man sagt, das internationale Maß beginnt bei 170 für den kompletten Modellbereich. So richtig interessant wird es heutzutage aber erst ab 174 bis zu 181 cm.
Warum sind die Models so dünn? Schließlich ist der Durchschnittsbürger nicht so ideal gebaut?
Sicherlich, aber letztendlich ist das nicht gefragt. Mode soll in erster Linie so gut wie möglich dargestellt werden. Und die „oversized„-geschnittenen Sachen z.B. sehen dann bei den großen Modellen besonders gut aus. Aber der Trend geht jetzt auch dahin, daß immer stärkere Konfektionsgrößen gefragt werden, 42/44er Modelle. Das war früher nicht so. Wir haben jetzt immer mal Modenschauen, wo auch ein starkes Modell eingebaut wird.
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