: CSU im neuen Anzug
CSU-Vorsitz für Waigel bis zum Ende der regulären Amtszeit / Tandler verzichtet vorerst auf Parteivizeposten / Nach kurzer Sitzung demonstrierte CSU-Spitze Einigkeit und Harmonie ■ Aus München Luitgard Koch
Vor dem mit Trauerflor geschmückten Bild des verstorbenen Franz Josef demonstrierte gestern der CSU-Vorstand in der Münchner Parteizentrale Einigkeit, Geschlossenheit und Harmonie. Nach einer für CSU-Verhältnisse sehr kurzen Sitzung - sie dauerte nur 75 Minuten - wurde der Bonner Landesgruppenchef Theo Waigel als neuer Kandidat für den Parteivorsitz vorgestellt.
Seine Kandidatur, gewählt werden soll der Schwabe Waigel auf dem Parteitag Mitte November, kam nicht überraschend. Bereits am Wochenende wurde darüber entschieden. Bis zur nächsten regulären Vorstandswahl im Herbst 1989 will der schwäbische Bezirksvorsitzende Waigel auf jeden Fall Parteivorsitzender bleiben.
Programmatische Erklärungen wollte Waigel vorerst keine abgeben. Er betonte jedoch, daß er dafür sorgen werde, daß die Wählerschicht der CSU auch weit „nach links in die Arbeitnehmerschaft hineinreicht“ und rechts neben ihr „keine legitime Partei entstehen kann“.
In der vergangene Woche gab es nicht wenige Stimmen in der CSU, die aus Angst vor Wahlverlusten am rechten Rand statt des eher unauffälligen Waigel den „Law and order„-Mann Tandler favorisierten. Um jedoch eine Kampfkandidatur zu vermeiden, bot Landtagspräsident Franz Heubl dem derzeitigen Wirtschaftsminister Tandler bereits am vergangenen Mittwoch seinen Parteivizeposten an. Tandler erklärte den „Seinen“ freilich gestern, daß er diesen Posten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht antreten will. „Ich habe mich für dieses Angebot sehr bedankt, das ist ehrenvoll“, so Tandler nach der Sitzung. Warum er darauf verzichtet habe, wollte der derzeitige Wirtschaftsminister jedoch nicht eindeutig beantworten. Erst im nächsten Herbst will Tandler für den Parteivorsitz kandidieren.
„Ich glaube in der Weise, wie wir die Frage der Nachfolge gelöst haben, können sich andere ein Beispiel nehmen“, lobte Tandler seine Partei.
Auch vom bayerischen Altministerpräsident Alfons Goppel sei die Partei am Schluß der Sitzung gelobt worden, wurde der versammelten Presse erklärt. Dies sei nicht zuletzt dadurch möglich gewesen, betonte Waigel, weil derzeit „ein Ruck durch die Partei zu mehr Verantwortung und Engagement geht“.
Zur Frage, ob den „Hinterbliebenen“ denn die Schuhe oder der Anzug des großen Vorsitzenden passen, meinte er: „Jeder sollte seinen Anzug anziehen und sollte in seine Schuhe schlüpfen, nur dann wahren wir unsere Identität.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen