: Döner-Phobie
■ Kollektive Einbildung vorm Futternapf
„Wir Linken haben gegen Evren demonstriert, doch die Türken in Kreuzberg wollen uns mit dieser Scheiße vergiften“, sagte einer der Demonstranten. Gemeint ist das Döner-Kebab. Das Fleisch sei schlecht, wenn nicht gar gesundheitsgefährdend; es bestehe nur aus Weißbrotpampe vermischt mit Rinderfett. Es sei bekannt, daß Türken selbst kein Kebab anrührten; sie äßen statt dessen das angeblich aus viel besserem Fleisch bestehende „Yaprak-Döner“, das es an einigen Stellen der Stadt zu kaufen gibt. Eine - mitunter rassistische - Phobie gegen das Döner-Kebab breitet sich aus. Eine Umfrage bei den bezirklichen Veterinär- und Aufsichtsämtern zeigt, daß sich die Fleischqualität tatsächlich eine Zeitlang vermindert hat. Bestanden die Spieße anfangs noch aus 50 Prozent Kalbfleisch und 50 Prozent Rindergehacktem, vermehrte sich der Anteil des Rindergehackten in den letzten Jahren bis auf 80 Prozent. Dabei handelt es sich vor allem um „durchwolftes“ Gehacktes, das mit Stärke zusammengehalten wird. Dieses Fleisch ist jedoch nicht grundsätzlich „gesundheitsgefährdend“ - vorausgesetzt, es ist „kroß“ durchgegart. Der Leiter des Schöneberger Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamts, Lamprecht, umschreibt es als „Brühwurst am Stiel“.
In einem Vergleich, den das Verwaltungsgericht festgesetzt hat, darf solches Fleisch nur noch unter der Bezeichnung „Döner-Sis“ (drehender Spieß) verkauft werden. Es unterliegt der Hackfleisch-Verordnung. Das „Döner-Kebab“ (drehendes Fleisch) selbst darf keine Phosphate oder Bindemittel enthalten. Die bezirklichen Ämter kontrollieren regelmäßig, ob sich die Hersteller und Verkäufer auch an diesen Vergleich halten. Wenn nicht, droht ein Bußgeld. Tatsächlich liegt ihnen keine Beschwerde gegen das Fleisch vor. Nicht einmal der Verbraucherzentrale ist in all den Jahren ihrer Existenz eine Beschwerde gegen das Döner-Kebab bekannt geworden. Josef Jöckel von der Landesuntersuchungsanstalt für Lebensmittel hat andauernd Proben von Döner-Fleisch zu testen. Ihm ist aufgefallen, daß sich die Fleischqualität sogar gebessert habe. Fazit: „Viele haben sich an Döner -Kebabs übergessen und sollten zur Abwechselung mal wieder Pommes mit Currywurst versuchen.“ (Ih, bäh, und wie wärs mit Selberkochen? d.säzzer)
E.K.
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