: Flammende Trikots und röhrende Kehlen
■ Makellose bundesdeutsche Bilanz in der 2. Runde des Fußball-Europapokals / DDR-Clubs in Italien gebeutelt
Berlin (taz) - Gewaltige Furcht hatte vor dem UEFA -Cuprückspiel in Glasgow bei den Spielern des 1. FC Köln grassiert. Da war einerseits der berühmt-berüchtigte Ibrox -Park der Glasgow Rangers, wo das Publikum in der Lage ist, mit einem sogenannten „Roar“ aus Tausenden von whiskygestählten Kehlen zumindest Scheintote wachzurütteln, andererseits trachten die Rangers-Fußballer oft und gerne nach gegnerischen Schienbeinen, wobei sie durchaus gehobenen internationalen Ansprüchen genügen. „Die treten uns die Trikots in Flammen“, mutmaßte Stephan Engels, während Thomas Häßler zu „Brustpanzer und Helm“ riet. Armin Görtz indessen drohte mit Gegenwehr: „Wir sind auch nicht ohne und können dagegen halten“. Was man einem gestandenen Bundesligakicker, der schon vor des Teamchefs Augen Gnade fand, unbesehen glauben kann.
Ganz so dramatisch wurde es dann doch nicht. Das frühe Tor für die Schotten, nach dem deren Fans „den Deutschen die Hölle heißmachen“ sollten (Trainer Graeme Souness), fiel nicht, und trotz zahlreicher Chancen hüben und drüben ließ der erste Treffer bis zur 76. Minute auf sich warten. Gegen Drinkells Kopfball hatte Kölns Torwart Illgner keine Chance. Obwohl es nun im Stadion nach allen Regeln der Kunst aus 44.000 Gurgeln röhrte, blieb den Rangers der ersehnte zweite Treffer, der die Verlängerung bedeutet hätte, versagt. Stattdessen traf Janßen kurz vor Schluß zum 1:1, was den Roar auf der Stelle zum Ersterben und die Kölner ins Achtelfinale brachte.
Dasselbe Kunststück gelang auch den Münchner Bayern, die im tschechoslowakischen Streda durch Tore von Olaf Thon 2:0 gewannen und dem VfB Stuttgart. Die Schwaben brachten es daheim gegen Dinamo Zagreb nur zu einem 1:1, wobei sie sich eine Unmenge versiebter Torchancen gönnten. „Eine dieser Chancen hätte reingemußt, dann wäre die Messe gelesen gewesen“, analysierte der christlich-brachiale Kultusminister Mayer-Vorfelder leicht blasphemisch. Die Messe war aber auch so gelesen, da die Stuttgarter schon bei ihrer Hinspiel-Mission in Zagreb 3:1 gesiegt hatten.
Pokalsieger Eintracht Frankfurt erlebte im türkischen Sakaryaspor etwas höchst Seltenes. Sie gewann, sogar mit 3:0, und erreichte das Viertelfinale. Kapitän Körbel wertete den Erfolg realistisch: „Wenn wir hier verloren hätten, dann hätten wir das Fußballspielen aufstecken können.“
Übel mitgespielt wurde den DDR-Clubs von den Italienern. „Fußball gehört zu Italien wie Pizza und Spaghetti“, wußte der Kommentator des DDR-Fernsehens zu berichten, zur DDR gehört er halt nur wie Leipziger Allerlei und geknickte Jenaer Optik. Den Unterschied der Systeme verdeutlichte besagter Reporter plastisch an der Einkaufspolitik der Trainer von FC Jena und Sampdoria Genua: „Kurbjuweit holte Weber aus Thale, Boskov holte Victor aus Barcelona.“ Zu fröhlichen Zuschauergesängen - Weisen von Händel und Verdi inszenierte besagte iberische Wühlmaus mit ihren hochkarätigen Kollegen Cerezo und Dossena ein exquisites Angriffsspiel, während der italienische EM-Sturm Mancini Vialli für stete Unruhe im Jenaer Strafraum sorgte. Zu guter Letzt stand es 3:1 für die Genueser. Weniger Mühe gaben sich die Neapolitaner um Diego Maradona gegen Lok Leipzig. In einem glanzlosen Spiel siegten sie durch zwei von Maradona -Freistößen vorbereitete Tore mit 2:0.
Meister AC Mailand war indessen bei Roter Stern Belgrad mit einer höheren Macht im Bunde. Nach dem mageren 1:1 vom Hinspiel stand es in der 57. Minute 1:0 für Belgrad, und Mailand hatte nach Platzverweis von Virdis nur noch zehn Spieler auf dem Feld. Da senkte sich plötzlich Nebel hernieder, Schiedsrichter Pauly mußte die Partie abbrechen. Gestern abend bekamen die Mailänder einen neuen Versuch. Aus Redaktionsschlußgründen können wir nicht vermelden, welche Unbill diesmal über die roten Sterne hereinbrach. Wir vermuten: Trikots in Flammen.
Matti
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