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Norwegen schließt Schwerwasserquelle

Reaktion auf die Affäre um die Düsseldorfer Schieber-Firma Alfred Hempel  ■  Von Thomas Scheuer

Nach wiederholten Enthüllungen über dubiose Schwarzmarktgeschäfte der Düsseldorfer Firmengruppe Alfred Hempel mit Schwerwasser aus norwegischer Produktion hat die Regierung in Oslo jetzt die Faxen dicke: Wie Außenminister Thorvald Stoltenberg Ende letzter Woche in Oslo bekanntgab, wird der Export von Schwerem Wasser aus norwegischer Produktion demnächst generell verboten.

Im April hatte die Osloer Zeitung 'Verdens Gang‘ enthüllt, daß die Düsseldorfer Firma „Rohstoff-Einfuhr-GmbH“ im Dezember 1983 von der norwegischen „Norsk Hydro“ 15 Tonnen Schwerwasser bezogen und über Basel und Dubai nach Indien umgeleitet hatte. Die Rohstoff-Einfuhr-GmbH gehört zum weltweiten Geflecht der Alfred-Hempel-Gruppe, die seit 15 Jahren, vornehmlich über Firmenableger in der Schweiz und Hongkong, Staaten wie Indien, Pakistan, Argentinien, Südafrika und Israel unter Umgehung der internationalen Kontrollsysteme mit Schlüsselkomponenten für deren Atomprogramme versorgt. Schweres Wasser (chemisch: Deuteriumoxid) dient als Moderator in Atomreaktoren, die zur Gewinnung waffenfähigen Plutoniums besonders geeignet sind, und unterliegt daher strenger internationaler Überwachung. Da Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, wäre die Ausfuhr der 15 Tonnen Schwerwasser dorthin von Norwegens Behörden niemals genehmigt worden.

Hempel hatte in Oslo denn auch eine Endverbleibserklärung seiner Firma sowie ein behördliches Importzertifikat vorgelegt, die die Einfuhr des begehrten Nasses (Warenwert über 3,5 Millionen US-Dollar) in die Bundesrepu blik bescheinigten. Um sich das amtliche Importzertifikat zu Fortsetzung auf Seite 2

erschleichen, war dem für den bundesdeutschen Außenhandel zuständigen Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn die Kernforschungsanlage (KFA) in Jülich als Kunde angegeben worden. Hätte das Amt dort kurz rückgefragt, wäre der Schwindel frühzeitig geplatzt: In Jülich stand eine derartige Bestellung nie zur Debatte.

Die gemeinsame Vernehmung eines Spediteurs durch norwegische Polizisten und das Düsseldorfer Zollfahndungsamt erbrachte mittlerweile den Beweis, daß das Schwere Wasser tatsächlich in Indien landete: Er habe, so der „Loadmaster“ in einem der taz vorliegenden norwegischen Polizeiprotokoll, den Lufttransport persönlich von Olso bis Bombay begleitet.

Die Schwerwasser-Herstellung hat in Norwegen eine lange Tradition: Dank der enormen Wasserkraft-Kapazitäten waren norwegische Firmen weltweit als erste zur äußerst energieintensiven Produktion des Stoffes im Industriemaßstab fähig.

Von 1930 bis heute wurden über 450 Tonnen exportiert. Auch in den geheimen Labors von Hitlers Atombombenforschern sprudelte während der Besetzung des Landes durch die Nazi -Wehrmacht Deuteriumoxid aus norwegischen Quellen, weshalb letztere auch bevorzugtes Sabotageziel norwegischer Widerständskämpfer und britischer Agenten waren.

Die Scheinheiligkeit, mit der die Norweger die Hintergangenen mimen, enthält zumindest einige Kratzer: Nach Ansicht von Experten hätten die Marketing-Leute der „Norsk Hydro“ wissen müssen, daß es für die von Hempel georderten Mengen in der BRD oder der Schweiz gar keine Verwendung gibt.

Nach Informationen der taz scheint zudem in der Firmenleitung schon einmal Zweifel an der Seriosität Hempels aufgekommen zu sein: In einem Brief an die Rohstoff-Einfuhr vom 16.2.79 erkundigte sich „Norsk Hydro“ nach dem Endverbleib einer zwei Jahre zuvor gelieferten Schwerwasser -Ladung (Rechnung vom 26.4.77). Die Befürchtung der Norweger damals: Der Stoff könne nach Pakistan verschoben worden sein.

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