: WAA-Bruchpilot vor Gericht
Anklage gegen Hubschrauberpiloten wegen fahrlässiger Tötung / Hubschrauber war bei Verfolgung von WAA-GegnerInnen am 7.9.1986 in Wackersdorf mit Schienenbus kollidiert / Polizeibeamter erlag Verletzungen ■ Aus Schwandorf Luitgard Koch
Fahrlässige Tötung und vierfache fahrlässige Körperverletzung sowie gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr wird dem 44jährigen Polizeihauptkommisar Theo M. vorgeworfen. Seit gestern muß sich der Pilot des Polizeihubschraubers Edelweiß II deshalb vor dem Schöffengericht in Schwandorf verantworten. Grund: Am 7.September 1986 machte der Hubschrauberpilot zusammen mit vier Kollegen Jagd auf Demonstranten auf dem WAA-Gelände. Der normalerweise in Neubiburg bei München stationierte Hubschrauber wurde damals von der Schwandorfer Polizeieinsatzleitung zum WAA-Baugelände beordert worden, um dort aus der Luft kleine, von WAA-Gegnern gelegte Brände, zu löschen. Dabei soll der Hubschrauber von einem Punker mit Steinen und Flaschen beworfen worden sein. Um diesen zu verfolgen, setzte der Pilot drei Zivilbeamte auf dem Gelände ab, während er weiter aus der Luft auf ihn Jagd machte. Nach erfolgloser Fahndung wollten dann die drei wieder zusteigen. Der Pilot landete kurzerhand auf dem Bahngleis der direkt neben dem WAA-Gelände vorbeiführenden Bahnlinie Schwandorf -Furth. Dabei kollidierte der Hubschrauber mit einem Triebwagen. Es kam zu einer Explosion. Der Lokführer des Triebwagens sowie die fünf Beamten wurden schwer verletzt. Einer der Beamten starb wenige Wochen später an den Folgen des Unfalls. Nach zweijährigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde im August dieses Jahres Anklage erhoben.
Zu Beginn der gestrigen Verhandlung stellte der Verteidiger des Polizeipiloten den Antrag, das Verfahren einzustellen. Der Angeklagte sei durch die erlittenen Verletzungen bereits so geschädigt, daß eine Bestrafung nicht mehr sinnvoll erscheine. Das Gericht lehnte den Antrag aber ab, da die „Schuld des Piloten am Unfall beträchtlich scheint“ und der Stand der Ermittlungen dies nicht zulasse. „Ich war auf jeden Fall der Meinung, daß das ein Abstellgleis ist“, betonte Theo M., der aufgrund des Unfalls zu 30 Prozent erwerbsunfähig ist. Er sei „aus allen Wolken gefallen“ als ihm bei seiner ersten Vernehmung im Krankenhaus mitgeteilt wurde, daß auf dieser Strecke allein am Unfallstag 22 Züge verkehrt haben. Darüber, wohin die Bahnlinie führt und ob Züge fahren, habe er sich „keine Gedanken gemacht“. Genausowenig hatte sein 34jähriger Bordwart bei der waghalsigen Aktion sich Gedanken gemacht, der gestern als Zeuge auftrat. Ob Züge auf Strecke fahren oder nicht interessierte auch den Zivilbeamten Ziegler nicht. „In dem Augenblick war uns das egal“, gab der 33jährige zu.
Gegen den Rat seines Arztes fliegt der diensteifrige Polizeipilot bereits seit Januar 1987 wieder. Der ebenfalls durch den Unfall schwerverletzte 53jährige Lokführer des Triebwagens tritt als Nebenkläger auf. Der Prozeß dauerte bei Redaktionsschluß noch an.
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