: Aufgeblättert
■ Reprint: "Kampf dem Atomtod" (1958)
Wer sich heute für die nuklearen Ambitionen der Bundesrepublik interessiert, könnte beim Schmökern im Reprint des Blaubuch von 1958 einige Aha-Erlebnisse haben. Die wiederaufgelegte „Dokumentation über den Widerstand gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik“ enthält Aufrufe, Petitionen, Meinungsumfragen und Zeitungsmeldungen aus dem Zeitraum 1957/58 - die Bewegung gegen die von der Adenauer-Regierung zunächst geplante Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen sowie gegen die erste Stationierung von Nato-Raketen. Beim Nachlesen solcher vom Hörensagen bekannter Dokumente wie dem „Göttinger Appell“ der 18 Atomforscher fällt auf, wie ungebrochen damals der Glaube an die Trennung von „friedlicher“ und militärischer Nutzung der Atomenergie war. Die SPD führt immer wieder die Wiedervereinigung ins Feld, die durch die Adenauersche Politik verhindert werde. Aufschlußreicher sind die Stimmen von der Basis: Da sorgt sich die Belegschaft der „Knorr-Bremse-GmbH, Stahlwerk Volmarstein-Ruhr“, daß nun auch im schönen Sauerland Nike-Raketen aufgestellt werden sollen. In verschiedenen Städten wurden nach dem entscheidenden Bundestagsbeschluß spontane Streiks organisiert, die zum Beispiel in Kassel von der örtlichen IG -Metall-Leitung als „Willkürakt unverantwortlicher Elemente“ verurteilt wurden. Während Ernst Breit heute bei Kohl artig auf dem „Recht auf Kritik an der Regierung“ besteht und der schlafende Riese dies mit einem wohlwollenden Schnarchen registriert, gab es also auch in dieser Republik mal Ansätze von politischem Kampf der ArbeiterInnen. Die Friedensbewegung könne aus der Kenntnis der Anti-Atomtod -Bewegung lernen, meinen die Herausgeber (Peter Brollik von der „Friedensliste“ und Klaus Mannhardt von der DFG/VK) im Vorwort. Diese Lehre muß vor allem aus dem Ende vom Lied gezogen werden: Verhindern, daß sich die Sozialdemokraten an die Spitze einer Bewegung stellen.cw
Blaubuch 1958; Klartext-Verlag 1988, 302 Seiten, 14,80 DM, erhältlich bei: Friedensliste, Baumschulallee 2a, 5300 Bonn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen