Volkszählungs-Jubel im Rathaus

■ 26 Mio Mark mehr bekommt Bremen wegen der Volkszählungs-Daten / Bisher nur die Nasen der BremerInnen gezählt / Grüne Kritik: Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegen Geld aufgerechnet

Wie aus einer „erschreckenden“ Nachricht eine Jubelmeldung werden kann, das war gestern im Bremer Rathaus zu lernen, wohin zur feierlichen „Verkündung der Volkszählungs-Daten“ die JournalistInnen zusammengetrommelt worden waren.

„Es hat sich gelohnt“, freute sich überaus aufgeräumt der Sprecher des Senats, Reinhold Ostendorf, und legte stolz „die ganz frischen Zahlen von heute morgen“ aus dem Statistischen Landesamt (StaLa) auf den Tisch. Zuerst die „erschreckende Nachricht“: 8,7 Prozent weniger BremerInnen lebten volksgezählt zum Stichtag 25. Mai 1987 im Lande Bremen. Die Jubelmeldung: Weil man nach der letzten Totalerhebung im Jahre 70 die statistische „Fortschreibung“ der Einwohnerzahl nur sehr vorsichtig betrieben, also eher niedrig geschätzt hatte, kommt jetzt unter dem Strich ein dickes Plus heraus. Ein ganzes Prozent, nämlich rund 6,5tausend Nasen mehr als angenommen, stehen jetzt in der Statistik und werden im Länderfinanzausgleich aus Bonn mit 4.000 Mark bar pro Nase und Jahr honoriert. Das heißt: Satte 26 Millionen zusätzlich wird Bremen jährlich aus Bonn kassieren, da sind die 7 Mio. Kosten der Zählerei

schnell vergessen.

Mit Zahlen kann man viel machen. Überraschend konstant blieb bei dieser ersten, noch recht undiffernzierten Zählerei die Anzahl der bremischen „Arbeitsstätten“ mit rund 26.000; auch die der „Beschäftigten“ ließ sich ohne nennenswerte Änderungen zu 360.000 addieren. „Darin bleibt unberücksichtigt, daß es immer mehr Teilzeitarbeit gibt“, ergänzte StaLa-Mitarbeiter Jürgen Dinse mündlich und nebenbei. Wo die 8,7 Prozent BremerInnen hingewandert sind, die in der neuen Einwohnerstatistik fehlen: In Niedersachsen wird ein Ansteigen der EinwohnerInnen besonders im „Speckstreifen“ rund um die Städte Bremen und Hamburg verzeichnet. Als „erheblich verbesserte Wohnsituation“ wird die Erkenntnis gedeutet, daß sich die Zahl der Gebäude seit 20 Jahren um 14 Prozent erhöht hat und jede bremische Person nicht mehr nur 24, sondern 36 qm Wohnfläche zur Verfügung hat.

„Wir haben Wohnungsnotstand“, kommentierte dagegen der grüne Bürgerschaftsabgeordnete und erklärte Volkszählungs -Boykotteur Martin Thomas, „in Tenever stehen die Wohnungen leer, und jede Woche schlagen sich die Jugendlichen um billige Angebote, wenn die Anzeigenblätter rauskommen!“ Thomas kritisierte, daß „Geld aufgerechnet wird gegen das demokratische Recht auf informationelle Selbstbestimmung diese Zahlen hätte man auch durch eine anonyme Befrageung gewonnen!“ Mit rund drei Prozent geben die Statistiker die Boykott-Rate an; und dies ist nur die Zahl der „Ersatzvornahmen“ aus dem Melderegister, „von denen ja nicht alle boykottiert haben“. Die Qualität der Daten, behauptete Dinse, sei „genausogut wie bei unseren sonstigen Erhebungen, es bekommt dem Datenmaterial auch besser, wenn die Leute nicht abgeben, anstatt Falsches auszufüllen.“ Susanne Paa