: „Sogenannte Alternative bekämpfen“
■ Geschäftsführer des DGB-Berufsfortbildungs-Werkes wettert gegen selbstverwaltete Bildungsträger Konkurrenzkampf vor der AfG-Novelle / DGB-Delegierte einstimmig für Initiativen-Bündnis
Hinter den Kulissen der gewerkschaftlichen Solidarität streitet man sich mit bitteren Vorwürfen - ums Geld. Denn die Bonner Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes (AfG) droht ab Anfang 1989 die Mittel für die berufliche Bildungsarbeit um ein Drittel (allein für Bremen 20 Mio Mark jährlich) zu kürzen. In den Weiterbildungseinrichtungen von Angestelltenkammer, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund, bei der Volkshochschule und den mehr und weniger alternativen privaten Einrichtungen müssen also Honorarkräfte um ihre Stundendeputate und die fest Angestellten um ihre Jobs bangen.
Das gewerkschaftliche „Berufsfortbildungswerk“ (Bfw) des DGB hat nun in diesem Konkurrenzkampf die Alternativen aufs Korn genommen. Bfw-Ge
schäftsführer Egon Brinkmann schickte am 14.11. einen Brief herum, in dem er nur noch von „sogenannten alternativen Betrieben und Bildungsträgern“ weiß. Besonders kreidet der Gewerkschaftsmann es an, daß diese „Sogenannten“ sich der „schützenden Hand einiger Gewerkschaftsfunktionäre“ erfreuen könnten. „Stützung dieser Alternativstrukturen“, schreibt Brinkmann Klartext, „wirkt den Interessen der anerkannten Einrichtungen entgegen“. Aus gewerkschaftlicher Sicht müsse man diese sogenannten Alternativen „eigentlich bekämpfen“.
Anlaß für den Brief ist ein Interessenbündnis, in dem alternative und selbstorganisierte Projekte sich zusammengetan haben mit GEW, HBV und Personalräten von verschiedenen Weiterbildungs-Einrichtungen, vom Bil
dungsressort bis hin zur Angestelltenkammer und auch zum Personalrat des BfW. Diese Initiative gegen die Kürzung der AfG-Leistungen will am kommenden Montag eine öffentliche Protestversammlung durchführen („Betriebsversammlung der Gekürzten“, 5.12., 13 Uhr, „Altes Gymnasium“).
Solche Bündnisse widersprechen Bfw-und den gewerkschaftlichen Interessen an der Aufteilung der verbleibenden Weiterbildungs-Mittel, weil die „sogenannten“ Alternativen ihre MitarbeiterInnen „häufig völlig ohne arbeitsrechtlichen Schutz ausbeuten“ und „jetzt schon mit Dumpingpreisen“ gewerkschaftlichen Einrichtungen die Gelder wegschnappen. Letztere würden, so Brinkmann, „zum großen Teil hauptberufliches Personal zu soliden Tarifverträgen“ beschäfti
gen. Auch die Nebenamtlichen bei der Gewerkschaft seien „häufig entsprechend den arbeits-und sozialgesetzlichen Notwendigkeiten“ beschäftigt.
Namentlich genannt wird in dem Brinkmann-Brief der „Kollege Bernhard Baumeister“, der Präsident der Angestellten-Kammer. Dessen Idee, mit einem Sonder-Aufschlag auf die Kammer -Beiträge berufliche Weiterbildung wohl auch noch der kleinen, Alternativen zu finanzieren, hält Egon Brinkmann für „völlig absurd“. Ursula Hof, eine Sprecherin der Initiative gegen die AfG-Kürzung, findet die vordergründig gewerkschaftlichen Argumente eine „Unverschämtheit“.
Für den Vorsitzenden des alternativen Ausbildungsträgers „Rhizom“, Reiner Drechsel, steckt DGB-Chef Möller hinter der Brinkmann-Attacke. Bei Rhi
zom betrachtet man den Brinkmann-Brief eher als „Rückzugsgefecht“. Denn, so weiß Bernd Becker, vom Einfluß des DGB auf die Wirtschaftsförderung in Bremen könne nichts mehr bemerkt werden, DGB-Chef Möller sei „wirtschaftspolitisch kaltgestellt“. Und ohne die, die der Bfw-Geschäftsführer Brinkmann jetzt ausschalten will, hätte der gesamte innovatorische Bereicht der beruflichen Weiterbildung brachgelegen.
Selbst im DGB scheint Egon Brinkmann mit dem Rücken zur Wand zu stehen: Die Kreisdelegiertenkonferenz in der vergangenen Woche stellte sich hinter die „Initiative gegen die AfG-Kürzung“. Das, was der Bfw-Geschäftsführer „eigentlich bekämpfen“ will, wurde von den DGB -Kreisdelegierten einstimmig unterstützt.
K.W.
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