: Knoblauch im Kohl gibt JU zu denken
■ Parteibasis muckt gegen CDU-Vorsitzenden auf / Verkalkung in der Union beklagt / „Fall Barschel ist systemimmanent
Baden-Baden (ap) - Herbe Worte gab es auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) am Samstag in Baden-Baden gegen die Mutterpartei und den Führungsstil des CDU-Vorsitzenden Kohl. „Wissen Sie überhaupt noch, wie man 'Basis‘ schreibt?“, wollte ein JU-Mitglied vom Kanzler wissen. Ein anderer meinte, Kohl rede von den verkrusteten Parteistrukturen „wie ein Blinder von der Farbe“. Die Überalterung der Union und die Forderung nach einem Generationswechsel standen im Mittelpunkt des Interesses. Die Partei gehöre dringend reformiert, um wieder eine schlagkräftige Truppe zu werden, schallte es dem Kanzler unisono entgegen. Die JU reklamiert mehr Mitsprache in der Mutterpartei und mehr Parlamentsmandate für sich.
Stefan Schwarz, JU-Landeschef von Rheinland-Pfalz, eröffnete die Diskussion mit einer fast zehnminütigen Attacke auf Kohl. In Anspielung darauf, daß Kohl bereits im Alter von 39 Jahren Regierungschef in Rheinland-Pfalz war: „Sie haben doch damals die absolute Mehrheit auch nicht mit Leuten geholt, die morgens Knoblauchpillen gegen Verkalkung brauchten.“ Der Delegierte Peter Müller aus dem Saarland setzte noch eins drauf: „Eine Partei, die den Anspruch erhebt, Volkspartei zu sein, darf nicht nur Platz haben für die Alten, sondern muß auch Platz haben für die Jungen.“ Er schlug vor, die Bundestagsabgeordneten und die Ministerpräsidenten sollten nur einmal zur Wiederwahl stehen.
Der Kanzler vermochte weder eine Krise der Union zu erkennen noch die Notwendigkeit, altgediente und erfahrene Politiker auszumustern. „Niemand hindert euch daran, zu kandidierren und euch um Mandate zu bewerben.“ Er wies die Vorwürfe zurück, daß es jungen Leuten nicht möglich sei, gegen „etablierte Platzhirsche“ anzukommen. Richtig sauer wurde er, als Vorwürfe im Zusammenhang mit der Affäre um Uwe Barschel kamen. Der baden-württembergische JU-Chef Günther Oettinger sah darin keinen Einzelfall: „Kiel kann überall passieren. Ich behaupte, daß der Fall Barschel systemtypisch und systemimmanent ist, weil die Regierungszentralen mehrheitlich die Macht über die Parteiarbeit übernommen haben“. Kohl wies diesen Vorwurf als rundherum falsch zurück.
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