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KRIEGSMASCHINENRHIZOM GEGEN STAATSBAUM!

■ Das William-S. Burroughs-Seminar in der Rostlaube

„Wir wollen kein Geschwätz mehr hören von Familie, Mutter, Vater, Schutzmann, Priester, Vaterland oder Partei. Um es kurz & bündig zu sagen - wir haben genug Bullshit gehört.“ (W.S.B.)

Innerhalb dieser maroden Institution Universität, diesem Museum mit real-time-Charakter hat sich eine parasitäre Struktur eingenistet; eine Ballung, deren Fluchtlinien hin zu Terrorismus & Subversion, Waffenfetischismus, Kino, Perversion & Geisteskrankheit ausbrechen. Nicht die Aufklärung mehr, die zu sich selbst kommt, sich selbst legitimiert & sich selbst erklärt, sondern die Aufklärung des Anderen wird angegangen: die Irrationalität, der Orient & die Poetik („als eine Extermination des Werts“, Baudrillard), der Schatten-Schizo & der Wilde, das Drogendelirium. Dies alles sind Motive der Schriften des „Il hombre invisible“ William Seward Burroughs, mit dem sich die Teilnehmer eines Seminars der legendär verfluchten „Academy 23“ in Begehren & Reibung zu verkoppeln suchen. Den Namen des philosophischen Diskurses zu verlassen, neue Daten zu produzieren.

FU-Linguist Klaus Laermann kainzeichnet dies Gebahren: „Das rasende Gefasel der Gegenaufklärung“ (er nennt symptomatisch Kollege Kamper), wogegen W.S.B. solch engrammatische Reihung „moralische Krankheit“ nennt & diesen Phallogozentrismus der Moralität, die sich als Präventivmaßnahme gegen die Apokalypse versteht, stets abwies. Denn im Gegensatz zu Schneckenforscher („WAHRHEIT!“) Laermann erkennt Virologe Burroughs: Der Virus steht für die Allianz von Wissen & Macht in der Struktur. Folgerichtig ist sein Sprechen dezentralisiert (Cut-up) & erhellt, klärt nur mehr rudimentär; das Verschwinden des Körpers & des Begehrens, den Verlust der Authenzität, die Relativität von Wahrheit, die Auflösung der symbolischen Ordnung, ihres Codes & der Gesellschaft: „Tower opens fire!“, die Öfen von Minraud, der Krebs-Deal mit den Venusiern, die Wild Boys in den Western Lands.

Es gibt augenscheinlich etliche latente Frakturen in Burroughs‘ Werk - „Ich würde sagen, ich folge den Kanälen, die sich durch die Umordnung des Textes öffnen. Das ist die wichtigste Funktion des Cut-up.“ - & vielleicht ist dies der Grund, weshalb die kurzhaarigen, unbebrillten Schwarzträger in diesem Seminar dem - implizit - autoritären Monolog des Dozenten lauschen. Es fällt ihnen schwer, sich an Drogen & disperaten Elementen einer möglichen Kommunikation zu delektieren, ihre Wunschmaschinen produzieren zu lassen & Intensitäten frei zu setzen. Immerhin, einige Mäander gestalteten die Beziehung zwischen Burroughs & dem Begriff der Subversion, der 30-kbyte-Virus, der das NASA-Forschungs & Atomforschungszentrum Lawrence, sowie via Telefonnetz die tausend größten Rechner in den USA lähmte, ein Stop -Virus, der bei jeder Befehlseingabe antwortet: „Bin beschäftigt.“ Ein Beispiel für den „Stillen Virus„ des „Unsichtbaren Mannes„; in die Dateien des Verwaltungskrebses hineinschleichen & deren Vernichtungskrieg stoppen. „Information war!“

Oder die Tausendfüßler als finale Metapher für die Foltermacht des Codes - „Die Sprache ist der Bereich der Gliederungen, & der Sinn ist in erster Linie Zerlegung“ (Barthes) - der Krebs, der die hierarchische Struktur des Sozialen beseitigt & sich den Tod zu eigen macht: der Krebsorganismus als zynische Variante der Unsterblichkeit, der Organismus als Zweck seiner selbst, der sich vollständig mit dem Tod getauscht hat: Todesorganismus - „Also versucht nicht, die Krebszellen abzutöten, sondern helft ihnen, sich zu vermehren & Wirtszellen zu ersetzen... Ist viel effizienter. Statt all dieser komplizierten Organe haben wir nur noch Zellen, eine undifferenzierte Struktur... Statt den Patienten am Leben zu halten, werden wir seinen Tod am Leben erhalten...“ (W.S.B.) - & immer wieder Viren: der biologische Virus B-23, der erogene Mutation anregt, Sprache als Virus: als Einbruch des Herrschaftsdiskurses in die Kommunikation; der Autoritäts-Virus & der Virus als Schnittstelle der zweiten (imaginär-bildlichen) & der dritten (maschinell-körperlichen) Dimension. Schemen, Dämonen, der Andere.

Das permanente Verweisen auf Tod & Ende - letztlich somit auf die Apokalypse, Hoffnung verschiedenster Diskurse, Hoffnung auf das Aufflackern letzter Wahrheit - ist Kennzeichen der Macht, der Western Culture, die Burroughs, wie Baudrillard, auch als „Death Culture“ bezeichnet: „Der Tod war ihr Kulturheld.“ Neben dem Tod (des Subjekts, der Geschichte, der Gesellschaft, der Macht) & seines Verschwindens in & nach der Apokalypse, gibt es - u.a. folgende Parallele zwischen W.S.B. & den Post -Strukturalisten: das Wühlen im Müll der Geschichte.

Bei Burroughs ist es Hassan I Sabbah, der Alte Mann von dem Berge. Er gilt als erster Terrorist, der mit seinen Orden der Assassinen (Anslinger machte daraus in den USA Haschaschinen, Kiffer, die einen Mörderkult etabliert hätten, & den Rest dieser Geschichte kennen wir; ihr verdanken wir solch grandiose B-Movies wie „Reefers madness“ usw., aber...) von seiner Festung Alamout aus, Vorderasien & Mitteleuropa in Angst und Schrecken versetzte. Sabbah war natürlich Aristokrat, Zeitgenossen von Albert Magnus, & las wie dieser Aristoteles. Seine Maxime lautete: „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt!“ („Die letzte Warheit ist, daß es keine Wahrheit gibt“, Derrida). Der Orden war straff organisiert, & es herrschte strenge Disziplin; es ist anzunehmen, daß sich Burroughs, der sich intensivst mit Hassans Entlarvung von Bedeutung & Macht auseinandersetzte, beispielsweise die Idee einer „taktilen Schrift“, die er in seinen „Todesakademien“ vorstellt, von Sabbah entlehnt ist.

„Diese Geheimpolitik ist zugleich eine Geheimpolitik, eine poetische Verkehrung der Philosophie.“ (Derrida). Da bricht sogleich Foucault mit Blick & Polizei herein, da wandert der Andere - innen & außen, - der Wild Boy, & so möge dieser unmögliche universitäre Hort freien Denkens, des Engagements & der rhetorischen Subversion das endlose Geplapper der small-talk-brains, die die Weltoberfläche wiederkäuen, zum Verstummen bringen. Schweigen verbreiten!

„Naked Lunch ist ein Plan, eine Anleitung... Schwarze insektenhafte Gelüste öffnen den Blick auf endlose Landschaften eines anderen Planeten... Abstrakte Konzepte, nackt wie Algebra, präsentieren als Ergebnis eine Ausschnittsvergrößerung: ein schwarzer Kotklumpen, ein Paar alternde Cojones... Eine Anleitung, die andersartige Erfahrungen ermöglicht, indem sie die Türen am Ende eines langen Korridors öffnet...“ (W.S.B.)Hell, yaz!

Doc Benway/Stoert

Jeweils mittwochs, 18 Uhr, im Raum J 28/29 (Rostlaube, 1. Stock).

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