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„Meyer, jetzt bist Du dran“

■ Ex-Senator vor dem Untersuchungsausschuß: Bessere Technik hätte nichts geändert

Ein „geprügelter Hund“ (Selbsteinschätzung) saß gestern vor dem Untersuchungsausschuß Geiseldrama. Doch der Zeuge Bernd Meyer, Ex-Senator des Inneren, jaulte nicht, kläffte nicht, versuchte nicht auszuweichen. Er saß einfach da, antwortete ruhig und ausführlich, gelassen aber bestimmt auf die Fragen des Ausschusses. „Bernd Meyer hat als Innensenator versagt, er muß abtreten“, eines der früheren Arbeitsziele der Oppositionsparteien hat sich erledigt, es blieb eine betont sachliche Erörterung zum Beispiel der Frage: Was wollte der Politiker Meyer im Lagezentrum der Polizei?

„Ich hatte von Anfang an das Gefühl, das ist eine ganz, ganz schwere Angelegenheit“ und in solchen Lagen müsse der zuständige Senator in einem Stadtstadt wie Bremen zu seiner Polizei. „Richtig, richtig“, er hat im Lagezentrum Kontrollfragen „aus der Lebenserfahrung heraus gestellt.“ Aber handwerkliche Fehler will er vor Ort nicht festgestellt haben. Zu keinem Zeitpunkt sei er um eine Entscheidung gebeten worden oder hätte sich von selbst in Entscheidungen eingemischt. Wichtig sei gewesen, daß der politisch Verantwortliche anwesend war. Bei der Frage ob die Geiselnahme mit Todesschüssen auf die Gangster beendet werden solle, hätte es ja heißen können: „Meyer, jetzt bist Du dran.“

Ein Senator, der stundenlang Ohren-und Augenzeuge einer hektischen Polizeiarbeit ist, kann der überhaupt noch unorthodox Alternativen denken? Die SPD-Abgeordnete Barbara Noack hatte Zweifel und wollte wissen, warum Meyer sich denn nicht abseits des Geschehens, zum Beispiel im Zimmer des Polizeipräsidenten, informieren ließ. „Ich hätte die Gelegenheit, könnte ich mir denken, gerne in Anspruch genommen.“ Allein: Niemand wies Meyer auf diese Möglichkeit hin, und von alleine will dem Innensenator das nicht eingefallen sein.

Jetzt, nachdem Berichte verfaßt, Polizeibeamte vernommen sind, und er selbst nicht mehr Senator ist, formuliert Meyer seine Zweifel an der Polizeiarbeit deutlicher als zuvor. Wenn hohe Beamte vor dem Untersuchungsausschuß den Eindruck erweckten, daß sie zwar Fehler erkannt, diese aber nicht behoben hätten, weil sie nicht dazu aufgefordert worden seien, so sei das „ein Stück aus dem Tollhaus“. Und indirekt ging Meyer auch noch den scheidenden Polizeipräsidenten Ernst Diekmann an. Auf dessen Bericht zum Geiseldrama hatte die Innenbehörde über 80 Rückfragen gestellt. Die Antworten aus dem Polizeihaus sind laut Meyer mit „Chuzpe hingehauen“. „Da kommt ein Selbstbewußtsein der Polizei zum Ausdruck, das ist ganz erstaunlich.“

Die CDU-Ausschußmitglieder Kudella und Bortscheller mühten sich, Meyer Versäumnisse in der technischen und personellen Ausstattung der Polizei vorzuwerfen. Der Abgeordnete Meyer reagierte darauf mit einer anderen Einschätzung als der Ex -Senator: „Eine bessere technische Ausstattung hätte nichts daran geändert.“ Also nicht das Problem defekter Funkgeräte, sondern eine Frage der Infrastruktur, die geändert werden müsse.

Doch Infrastruktur ändern bei dem vorhandenen Personal, geht das? Meyer hat Zweifel: „Ich will das mal als Frage formulieren: Können wir alle Funktionen blind aus bremischen Beamten besetzen?“ Auch wenn der Innensenator gewechselt hat, „die anderen Herren sind ja noch alle da und werden wohl auch da bleiben.“ Geiseldrama hin, Polizeifehler her, die Probleme der Polizei sind, so der Kurzzeit-Chef, nur langfristig zu lösen: „Da ist Dickbrettbohren angesagt.“

hbk

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