Getrübte Weihnachtsfreude-betr.: Elisabeth Kmölnigers Weihnachts-Cartoon, taz vom 24.12.88

betr.: Elisabeth Kmölnigers Weihnachts-Cartoon,

taz vom 24.12.88

(...) Eurem Zeichner ging es ausschließlich um Verletzung und Herabwürdigung der christlichen Religion und damit der Geburt Christi und also des Weihnachtsfestes. Schon mit diesem Bild trifft der Zeichner aber nicht nur alle Christen (schlimm genug), sondern auch alle anderen, denen der Mensch etwas bedeutet. Daß ihm, dem Zeichner, die Menschenwürde scheißegal ist, beweist sich vollends in seinem Umgang mit der Kreuzigung. „Christus am Kreuz“ ist für mich nicht von religiösem Interesse, aber das Kreuz bedeutet Folter. Niemandem ist es erlaubt, sich über die Folterung eines Menschen, auch nicht einer historischen Person, die vor fast 2.000 Jahren gelebt hat, in dieser Weise lustig zu machen. Es ist zugleich eine Verhöhnung aller, die auch in unserer Zeit unter der Folter leiden müssen. (...)

Dietmar Jürgens, Paderborn

(...) Nun haben weder Juden noch Römer Jesus verstanden, warum also die taz? Nichts gegen kritisches Hinterfragen der Jungfrauengeburt, nichts gegen Satire, noch nicht einmal etwas gegen atheistische Überzeugungen, solange diese in angemessener Form zur Diskussion gestellt werden. Der Unterschied zwischen Verächtlichmachung und Kritik sollte einer sich intellektuell gebenden Zeitung eigentlich bekannt sein. Sonst würde ich Eure seitenlangen Diskussionen über das Wort „gaskammervoll“ nicht ganz begreifen. Denn unabhängig vom Gottesanspruch, unabhängig von den Verfehlungen der Kirche, die Jesus nicht zu verantworten hat, besteht kein Unterschied zwischen einem KZ-Opfer und Jesus am Kreuz. Seine „Schuld“ bestand darin, daß er auf seine Weise eine menschlichere Gesellschaft wollte, die eigentlich auch Euer Anliegen sein müßte.

Werner Köhler, Krefeld

(...) Ihre klerikale Kritik ist hier entschieden zu weit gegangen und weist auf eine starke Verblendung des zuständigen Redakteurs hin. Vom inhaltlichen Aspekt besagt die Gottessohnschaft, ausgedrückt durch den Gedanken der Jungfrauengeburt, keine biologische Tatsache. Hier wird vielmehr ein Bild zur Hilfe genommen, gemäß des zugrundeliegenden antik-griechischem Denken, um etwas besonderes auszudrücken: Jesus von Nazareth war und ist ein besonderer Mensch. Diesen besonderen Menschen haben Sie zudem noch beleidigt.

Diese Art von Humor, sich über einen Gefolterten lustig zu machen, stammt aus der gleichen gedanklichen Richtung wie „Juden-“ oder „Türkenwitze“. (...)

Andreas Hedwig, Münster

(...) Zugegeben, mit Weihnachten tun sich vermutlich die meisten denkenden Menschen schwer, zuviel flache Sentimentalität, zuviel verlogene Nächstenlieblichkeit, zu viele Widersprüche bei der Kirche in Reden und Handeln. Zu wenig Fantasie, dieses Fest neu zu interpretieren, zu viel holder Schein aus der Kindheit und schmerzliche Erinnerung an Brüche beim Älterwerden in der Familie.

Das alles greifen die Karikaturen aber nicht auf. Sie muten mich vielmehr pubertär an. Ein verbreitetes Rezept mit übermächtigen Autoritäten zu meiner Jugendzeit fertigzuwerden, war der Rat, sich denjenigen in Unterhosen vorzustellen. (...) Es kommt mir vor, als ob E.K. und die Redaktion, die das zu ihrer eigenen Sache macht, in ähnlicher Weise „unanständig“ sein möchte. Anderen ihr „Heiligstes“ madig machen, in der Hoffnung vielleicht auf Zuwendung, und sei es nur strafend negativ.

Diese präpubertäre, anal-orientierte Trotzhaltung gibt's ja immer wieder in der taz. Das billige ich auch einer Zeitung zu, die erst zehn ist. In der Hoffnung auf ein Erwachsenwerden habe ich sie trotzdem weiterhin abonniert, zumal die Gesamtrichtung der Zeitung und ihres Humors mir gut gefällt. (...)

Rolf Tischer, Pfarrer, Berlin 46

(...) Die Zeichnungen mit den Kommentaren finde ich grundsätzlich eklig und niveaulos, und sie verletzen sicher nicht nur meine Gefühle. Darüber hinaus bleibt zu fragen, ob in der taz irgendein beliebiger anderer Geburtsvorgang auch so brutal naturalistisch dargestellt würde und mit Sprüchen, die die beteiligten Personen verspotten sollen, garniert würde. So etwas müßte doch unterbleiben, weil eine solche Darstellung ohne aufklärenden oder ästhetischen Wert sehr wohl die Würde einer Frau herabsetzt und damit sexistisch wäre. Eine irgendwie geartete bewußtseinsbildende Wirkung dieser „Karikaturen“ kann ich nämlich beim besten Willen nicht erkennen, es bleibt doch lediglich ein reines Verletzen von Gefühlen anderer bzw. eine Bestätigung bereits vorhandener Abwehrgefühle. (...)

Christoph Mehling, Berlin 47

Ich habe mal in der AntiFa gewirkt und mußte mich oft mit dem 'Stürmer‘ beschäftigen. Saukels Auswürfe waren gegen den taz-Comic zwergenhaft. Der könnte ja geradezu Minderwertigkeitskomplexe bekommen.

Sacht mal, hat Euch der Faschismus ins Gehirn geschissen? Ihr diffamiert damit die ganze Bewegung... Wie könnt Ihr sowas drucken. Die taz sollte mal ihre Haltung überprüfen und solche faschistoiden Tendenzen abschaffen. Also, ich verstehe Euch nicht.

Dieter Wurm, JVA Morbid

(...) Wir verabschieden uns nicht nur von Sexismus und Gewaltverherrlichung, sondern auch von verwässerter linker, ursprünglich vielleicht sogar revolutionär gedachter Berichterstattung.

Da es Euch offensichtlich leichter fällt, gleich auf vier Seiten Gewaltpornographie zu dokumentieren, als aktuell und solidarisch mit den Betroffenen über staatliche Repression, Feminismus und über den Widerstand zu berichten, schlagen wir Euch vor, Eure Konzeption doch vielleicht dahingehend zu überdenken, zu produzieren was Euch leichter von der Hand geht.

Dagmar, Eva, Marukus, Peter, Tübingen

Beim Lesen der taz vom 24.12.1988 ist mir folgendes aufgefallen:

1. Sie nehmen Partei gegen die Gewalt, indem Sie sich für den 1940 auf Geheiß der damaligen sowjetischen Staatsmacht - sprich Stalin - ermordeten Leo Trotzki einsetzen und seine Rehabilitierung in der Sowjetunion vertreten (S.7).

2. Sie nehmen Partei gegen die Gewalt, ausgeübt durch Soldaten im Falle eines Krieges durch die Verwendung der Überschrift „Sind Soldaten Mörder?“ und Verwendung eines Fridericus-Zitates „Taugenichtse und Henker“ am Ende des Artikels (S.22).

3. Sie nehmen Partei für Gewalt, ausgeübt durch die seinerzeitige Staatsmacht, nämlich römische Soldaten, indem Sie einen Text und entsprechende Comics von Tom Waits auf S.9-13 abdrucken. In diesem literarischen Erzeugnis werden die Attribute damaliger Gewalt bei der Hinrichtung eines Unschuldigen, nämlich Jesus Christus, durch die blasphemische Darstellung der Dornenkrone, des Essigschwammes, dreier Nägel zum Kennenlernen, vier Löchlein vorgebohrt und Tragegurt zum Üben (des Kreuztodes) als lustig hingestellt.

Diese sonderbare, von Fragen des guten Geschmacks einmal ganz abgesehen, Behandlung des Themas Gewalt an unterschiedlichen Personen läßt mich zu folgendem Urteil kommen: Anscheinend fällt es der Redaktion der taz schwer, eine durchgehend gegen Gewalt und Tötung der jeweiligen Staatsmacht sich aussprechende journalistische Linie intellektuell durchzuhalten. Eine Zeitschrift, die einmal Gewalt ablehnt und sie zu Recht bekämpft, sie zum anderen aber bagatellisiert (natürlich um die Religion zu verhöhnen), muß sich zumindestens Prinzipienlosigkeit und intellektuelle Farbenblindheit zum Vorwurf machen lassen. (...)

Siegfried Lüderitz, Großefehn 5

(...) Wenn Ihr schon meint, antiklerikale Gesinnung wem auch immer demonstrieren zu sollen, oder aber die Toleranzschwelle Eurer LeserInnen austesten wolltet und dazu „Werke“ von Elisabeth Kmölniger verwendet, dann kündigt das vorher an. Ich verzichte dann an diesem Tag auf die taz. (...)

Paul Rennig, Spiesen-Elversberg

(...) Die Comic-Leiste ist schlicht und einfach abstoßend. Offensichtlich das Produkt eines Mannes der seine Perversion nicht in Schmuddelkinos austoben kann, sondern auch noch selbst zum Zeichenstift greifen muß. Menschenverachtend, Frauen-verachtend. Gefühle verletzend. Der Abdruck solcher Kopfgeburten eines pathologischen Sexisten ist keine Frage von Liberalität und/oder Toleranz, sondern schlicht und einfach eine Frage der noch vorhandenen Restbestände an Achtung gegenüber den Gefühlen anderer. Ihr überschreitet gelegentlich Grenzen, bei deren Verletzung durch andere gesellschaftliche Gruppen Ihr selbst laut aufschreit. Warum?

Prof. Dr. Claus Eurich, Münster

Gern habe ich bisher die taz gelesen. Zur Weihnachtsausgabe leistete wohl ein hirnloser Antichrist einen überaus geschmacklosen Beitrag in Form eines Comic-Streifens. Die taz-Redaktion blamiert sich als politische Zeitung aufs ärgste, wenn sie penälerhaften Verhaltensweisen soviel Platz zur unrechten Zeit einräumt. Ein Tiefschlag für Christen die soll es auch unter Linken geben. Ich bin einer.

Herbert Terhag, Düren

Die in der taz abgedruckten „Karikaturen“ zur Geburt von Jesus sind mit das ekelhafteste, frauen- und kinderverachtendste, das wir je gesehen haben.

Auch wenn man nicht christlich ist, sollte man den Glauben Andersdenkender respektieren. Der Vorgang der Geburt sicher eines der schönsten Erlebnisse für Frau und Mann wird in widerlicher Weise in den Schmutz gezogen. Wir protestieren gegen diesen Abdruck.

Carmen Böll, Rene Böll, Bornheim3

(...) Als kulturelle „Entschädigung“ für diese Comic -provokationen der taz, die vielleicht noch nach Italien und Polen passen, ansonsten aber eine Verhöhnung all derer sind, die wegen ihres Engagements in Basiskirchen in Südkorea, den Philippinen, in Mittelamerika, Chile, Südafrika schwer verfolgt und gedemütigt werden, erwarte ich von der taz den Abdruck der Neujahrspredigt, die der Bischof im Amazonasgebiet wahrscheinlich nicht mehr halten kann, weil er ähnlich wie Francisco Chico Mendes als Umweltschützer und Menschenrechtler von Killerkommandos von Großgrundbesitzern bedroht ist.

Eva Quistorp, Berlin 31

Ich lese die taz, weil ich eine Alternative zur Springerpresse lesen will. Suchte ich eine Alternative zu gutem Geschmack oder zu unfairer oder taktloser Berichterstattung, brauchte ich die taz nicht als Alternative. Ich lese die taz also primär, weil mir die politische Richtung i.a.gefällt.

Daß Ihr ein paar Schreiber oder Zeichner miternähren müßt, die sonst schlecht ankommen, akzeptiere ich noch, auch wenn es manchmal hart an der Toleranzschwelle ist.

Durch den Weihnachtsartikel, besonders aber durch die primitive Illustration werde ich in meinem religiösen Empfinden gestört. Schickt den Tom Waits doch mal in eine Gesprächsgruppe zwecks Überwindung seiner pubertären Fixierung. (...) Mich stört nicht eine etwaige Glosse über alte und deshalb heute schwer verständliche philosophische Aussagen, mich stört die Dümmlichkeit des Niveaus. Und mich stört die Schamlosigkeit in Wort und Illustration. Auch Tom Waits sollte sich an Rosa Luxemburgs Wort von der eigenen Freiheit erinnern, die ihre Grenzen in der Freiheit des anderen findet.

Hans Rothkegel, Hamburg 53

(...) Die taz grenzt mit der Veröffentlichung dieser Bildserie bewußt oder unbewußt die Christen in ihrem Selbstverständnis aus. Die Redaktionsleitung trägt nach meiner Meinung die Verantwortung für einen solche Machart von Journalismus, der mit seinen Horroreffekten die niederen menschlichen Instinkte anspricht und einem rechtsradikalen Presseorgan unserer jüngeren deutschen Geschichte entliehen sein könnte. (...)

Matthias Eisel, Rüsselsheim

(...) Ich fühle mich durch Euren Weihnachtsbeitrag beleidigt, denn für mich sind Christen eine Gruppe von Menschen, die ich achte und die ich noch nicht für asoziale Vollidioten halte.

Wenn eine Zeitung, die mit einem hohen Anspruch an Humanität auftritt, eine gesellschaftliche Gruppe so beleidigt, wie es in der Weihnachtsausgabe geschah, ist sie für mich wertlos geworden.

Eure Weihnachtsausgabe hätte genau gepaßt, wenn Ihr sie zur Zeit der Stalin-Ära in Moskau veröffentlicht hättet. Doch Euch scheint noch nicht bewußt geworden zu sein, daß sich auch dort bereits die Zeiten bezüglich der Behandlung von Christen geändert haben.

Erwin Kruse, Winnenden

(...) Ein Blatt, das religiöse Empfindungen dermaßen in den Dreck zieht, wie Ihr es heute wieder getan habt, will ich nicht mehr sehen.

R.Rosenfeld, Schwanheim

Ihr meint wohl, als einzige linke Tageszeitung könnt Ihr Euren Lesern alles zumuten, so auch Euren widerlichen Weihnachtskomic.

Ich bin zwar seit Jahr und Tag aus der Kirche ausgetreten, aber solche Schülerzeitungsschmierereien auf pubertärstem Niveau verletzen auch die Gefühle eurer atheistischen Leser, sofern sie noch irgendwelche kulturellen Ansprüche minimalster Art an ihre Zeitung stellen. Nach den antisemitischen Ausfällen im November, dem unsäglichen Ausgekotze darüber in Eurer internen Nabelschau reicht es mir jezt - ich kündige das Abo zum nächst möglichen Zeitpunkt. Ein neues Abo kommt für mich erst in Frage, wenn Ihr Euch für diesen neuerlichen Vorfall bei Euren Lesern entschuldigt und der Zeichner der Karikatur ebenso seinen verdienten Laufpaß bekommt wie die genannten Antisemiten.

Dr.Sabine Wendt, Marburg/Lahn