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Rabta-by-Night-Tours für Journalisten

■ Auslandskorrepondenten „besichtigten“ umstrittenes libysches Chemiewerk im Dunkeln und nur von außen Staatsoberhaupt Ghaddafi bietet neuer US-Regierung direkte Gespräche an / Angst vor US-Angriff in Hauptstadt Tripolis

Rabta/Berlin (wps/taz) - Welche Stoffe das libysche Chemiewerk in Rabta eventuell schon herstellt, bleibt auch nach einem Besuch ausländischer Journalisten weiter im Dunkeln - durchaus im wörtlichen Sinne. Denn der Gruppe von Medienvertretern, die am Samstag nun endlich den Ort in Augenschein nehmen wollten, wo nach US-amerikanischen Angaben chemische Kampfstoffe produziert werden, blieb bei der nächtlichen Busfahrt über das Gelände der Blick in die Reagenzgläser verwehrt. Danach hatten die insgesamt etwa zweihundert Journalisten ihre Schuldigkeit getan und wurden per Flugzeug nach Malta verfrachtet.

Begonnen hatte der nach tagelangem Warten ausgesprochen ereignisreiche Samstag damit, daß am Morgen Libyens Staatsoberhaupt Ghaddafi höchstpersönlich am Steuer eines Peugeots und mit zahlreichen Leibwächtern vor dem Hotel Al Kebir auftauchte, um Kaffee zu trinken. Wie der Zufall es wollte, wohnen die Journalisten in ebendiesem Nobelschuppen. Gegenüber den Reportern sagte Ghaddafi, die USA versuchten, Libyen und kleine Staaten zu terrorisieren. Er werde amerikanischen Drohungen nicht nachgeben, selbst wenn die Konfrontation und der Druck „eine Million Jahre“ anhalten würden.

Aber von Ghaddafi kamen auch neue Töne: Er bot der künftigen US-Regierung unter George Bush direkte Gespräche an, deutete an, Libyen werde eine internationale Inspektion der Fabrik in Rabta zulassen und erklärte, sein Land sei bereit, an allen Verhandlungen über die Abschaffung von Waffen in aller Welt teilzunehmen, vom Gewehr bis zu Atombomben. Allerdings müßten die USA zunächst „die auf ihrem Boden befindlichen Nuklear- und Chemiezentren schließen und das Programm des Krieges der Sterne annulieren“.

Nach diesem Stelldichein im First-Class-Hotel wurde den Pressevertretern bedeutet, Ghaddafi selbst habe ihnen erlaubt, das neue chemische Werk „Pharma 150“ in Rabta, etwa 70 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Tripolis entfernt, zu besichtigen. Auf der Fahrt nach Rabta, das in einer einsamen Wüstengegend liegt, sahen die Korrespondenten zwei militärische Kontrollposten, eine Radarstation und mehrere Stellungen mit Luftabwehrraketen in der Nähe der Fabrik. Libyschen Angaben zufolge wurden die Raketenbatterien erst nach den US-Drohungen installiert, das Werk zu zerstören. In der Cafeteria des Werkes hatten die Journalisten Gelegenheit, mit dem medizinischen Leiter des Komplexes zu sprechen. Dr.Ali Ibrahim gab den offiziellen Standpunkt wieder und erklärte, daß dort nur medizinische und pharmazeutische Produkte hergestellt würden.

Die versprochene Besichtung der Fabrik allerdings fand nicht statt. Von der Cafeteria aus, die etwa andertalb Kilometer von dem Werk entfernt liegt, wurden die Korrepondenten nach Einbruch der Dunkelheit in drei Bussen und ohne anzuhalten einmal über das Fabrikgelände gefahren. Man konnte gerade etwa ein halbes Dutzend fensterlose, unbeleuchtete Gebäude ausmachen und einige Tanks, die von Soldaten bewacht wurden. Zuvor war den Journalisten noch auf einem nahegelgenen Platz „Volkes Stimme“ vorgeführt worden: eine anti-amerikanische Demonstration für die Fernsehkameras. Einer der mehreren hundert Demonstranten, die am Samstag aufmarschiert waren, erklärte jedoch gegenüber Journalisten, man habe ihm befohlen, hierher zu kommen.

Debatte vertagt

New York/Tripolis (ap) - Der UNO-Sicherheitsrat hat am Freitag seine Debatte über den Abschuß zweier libyscher Kampfflugzeuge durch die USA auf Montag vertagt. Auf der Dringlichkeitssitzung, die auf Antrag Libyens zustande gekommen war, stand der UNO-Botschafter der USA, Vernon Walters, mit seiner Verteidigung der Militäraktion auf einsamem Posten. Eine Abstimmung über eine Resolution wird für Montag erwartet, allerdings wird damit gerechnet, daß die USA und Großbritannien ein Veto einlegen werden. Am Freitag kursierten unterdessen in Tripolis Spekulationen, der Oberbefehlshaber der libyschen Streitkräfte, Oberst Abu Bakr Junis Jaber, sei abgesetzt worden. Auch Gerüchte, die USA hätten Rabta bereits bombardiert, machten die Runde. Nach Auffassung westlicher Diplomaten herrscht Nervosität und Spannung. Das sei angesichts der US-Drohungen nichts Ungewöhnliches. Viele Einwohner der Hauptstadt, die einen zweiten Wohnsitz auf dem Land hätten, seien aus Angst vor einem erneuten US-Angriff geflohen.

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