N E U I N O S T - B E R L I N

■ D E R S T Ä N D I G E

Programmatische politische Erklärungen vor Antritt seines Postens als neuer Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR verweigert er. Franz Bertele hat als Berufsdiplomat gelernt, im Stillen zu wirken. Bertele, 57 Jahre alt und Volljurist wie sein Amtsvorgänger Hans Otto Bräutigam, wird mit seiner Frau Doris voraussichtlich am 18.Januar in Ost-Berlin eintreffen und hofft, schon bald darauf Erich Honecker gegenüberzustehen, um ihm das Beglaubigungsschreiben überreichen zu können. Schon einmal war Bertele Nachfolger Bräutigams: 1977 löste er ihn im Amt des stellvertretenden Leiters der Ständigen Vertretung ab und behielt diesen Posten unter Staatssekretär Günter Gaus bis 1980. Bertele wurde am 30.Juni 1931 in dem nordwürttembergischen Residenzstädtchen Weikersheim geboren. Im April 1960 trat er in den Auswärtigen Dienst ein. Bevor Bertele 1977 als Vize -Chef der Bonner Vertretung nach Ost-Berlin ging, sammelte er diplomatische Erfahrungen in Genf, Montreal und Lagos. 1980 kehrt er zurück in die „Zentrale“ und wurde im Bonner Auswärtigen Amt zunächst stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung, danach deren Chef. Zuletzt war Bertele Leiter der großen Zentralabteilung des Amtes. 1977 hatte Bertele noch seine komplette Familie mit nach Ost-Berlin genommen: die beiden Töchter Beatrix und Eva-Maria und Sohn Joachim. Doris Bertele, die neue „First Lady“ in der Bonner Vertretung in der Hannoverschen Straße in Ost-Berlin, hat ihren Beruf als Ärztin schon seit längerem der Karriere ihres Mannes geopfert. Da ging es ihr nicht anders als Hildegard Bräutigam, die, ebenfalls Medizinerin, nach der Berufung ihres Mannes nach Ost-Berlin sogar eine gerade erst eröffnete Arztpraxis wieder aufgeben mußte. Franz Bertele schätzt das richtig ein: „Die Frauen tragen die Hauptlast unseres Berufes.“ Vor der Fahrt nach Ost-Berlin wurde Bertele formell in das Kanzleramt versetzt, wo er gestern offiziell seinen Dienst antrat. Seine Ernennung zum Staatssekretär steht unmittelbar bevor. Auch das gehört aus Bonner Sicht zum Besonderen der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten: Es werden keine Botschafter ausgetauscht, sondern Leiter der Ständigen Vertretungen. Und der ist auf bundesdeutscher Seite dem Kanzleramt unterstellt, muß aber in Ost-Berlin im Außenministerium vorstellig werden.

Detlef Rudel, ap