: Experten: Volk braucht Flugtage
■ Steinhoff-Kommission legt Bericht vor: Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung im „hohen Maße von der Begegnung des Bürgers mit den Streitkräften abhängig“ / Steinhoff: Feindselige Stimmung gegen Piloten
Bonn (dpa/ap) - Eine von Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) eingesetzte Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Luftwaffeninspekteurs Johannes Steinhoff hat die Wiederaufnahme von Flugtagen unter bestimmten Auflagen empfohlen. In ihrem am Montag von Steinhoff in Bonn vorgelegten Bericht heißt es, die Befürwortung der Landesverteidigung durch die Bevölkerung sei in hohem Maße auch von der Begegnung des Bürgers mit den Streitkräften abhängig.
Dies betreffe auch die Selbstdarstellung im fliegerischen Bereich, erklärte Steinhoff vor Journalisten. Er äußerte sich im Zusammenhang mit den Diskussionen über Tiefflüge und mit den zahlreichen Abstürzen von Militärmaschinen „sehr besorgt darüber, daß die Stimmung in den umliegenden Gemeinden von Fliegerhorsten in Feindschaft gegenüber den Piloten umschlägt“. Steinhoff sagte, die Stimmung in den Geschwadern sei „äußerst deprimierend und tief beunruhigend“. Die Kommission war von Scholz nach der Katastrophe von Ramstein am 28.August letzten Jahres berufen worden. Scholz hatte danach militärische Kunstflugvorführungen verboten.
Die Kommission verwies darauf, daß fast alle westlichen Staaten Kunstflugteams unterhielten. Die Zuschauerzahlen bewiesen, daß die Massengesellschaft das Stimulans spektakulärer Shows offenbar brauche, meinte Steinhoff. Aus dem braven Kunstflug der Doppeldecker sei aber ein „Spektakel dröhnender Formationen“ geworden, das zur Hochleistungsfliegerei nicht mehr in Bezug zu bringen sei.
Steinhoff betonte, „spektakuläre Flugtage mit einer Riesenschau darf es aber unter keinen Umständen mehr geben“. Es gehe darum, daß die Piloten ihre Leistungen den Bürgern „in nüchterner Form darstellen“. Das habe mit Kunstflug nichts zu tun. Der 75jährige Generala.D. betonte, zu der „fliegerischen Selbstdarstellung“ der Bundeswehr zählten Tage der Offenen Tür mit der Ausstellung von Militärgeräten und Waffensystemen, die Demonstration eines Verbandes im taktischen Vorbeiflug und die Vorführung einzelner Waffensysteme. Flugvorführungen mit reinem Showeffekt werden abgelehnt.
Die Kommissionsmitglieder empfahlen, die Vorschriften zur Planung und Durchführung von Flugveranstaltungen im Hinblick auf eine Erhöhung der Sicherheit zu überprüfen und, wo erforderlich, zu verschärfen. Die Kommission hält es für unabdingbar, daß ein zentrales Kontrollorgan geschaffen wird, das alle in der Bundesrepublik durchzuführenden Flugveranstaltungen (zivil, militärisch und gemischt sowie Flugtage der Alliierten) genehmigt und kontrolliert. Das Kontrollorgan müsse die Kompetenz erhalten, bei Verstößen gegen die Genehmigung oder bei Gefährdung der Sicherheit unverzüglich einzuschreiten. Nach Angaben der Kommission wurden bisher bei Flugtagen der Bundeswehr keine, bei Flugveranstaltungen der Alliierten bei vier Unfällen 78 Personen getötet.
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