piwik no script img

Männer und Herren

■ In der Bremerhavener Kunsthalle: Bilder des Münchener Malers Wolfgang Koethe mit/ohne Spannkraft und Agilität

Männerbilder: 27 Einzelporträts, eindrucksvoll auf einer halben Wand verteilt, in drei Reihen übereinander, graue Gesichter, alte (oder mittelalte) Herren in Schlips und Kragen, alle sitzen allein am kleinen Tischchen, ihre Haltung unterscheidet sich wenig, sie wirken leblos, einige haben die Augen geschlossen, die Hände sind auf den Tisch , an die Stirn, vor den Mund oder unters Kinn gelegt. Der in München lebende Maler Wolfgang Koethe, 36 Jahre alt, stellt in der Bremerhavener Kunsthalle eine 1988 entstandene Bildergruppe aus. Er zeigt Schachspieler, porträtiert nach fotografischen Vorlagen. Was reizt an diesem Sujekt? Sind es die verschiedenen Posen des Nachdenkens, der Anspannung, der Konzentration?

Im Katalog wird ein Satz aus Stefan Zweigs „Schachnovelle“ zitiert: „Das Schachspiel besitzt den wunderbaren Vorzug, durch Bannung der geistigen Energien auf ein engbegrenztes Feld selbst bei anstrengenster Denkleistung das Gehirn nicht zu erschlaffen, sondern eher seine Agilität und Spannkraft zu schärfen.“

Agilität und Spannkraft scheinen aus Koethes Figuren gewichen zu sein, zugunsten quälender Anstrengung und drückender Sille, die Männer haben keinen individuellen Ausdruck. Koethe porträtiert sie im Stil jener Genremaler, die in den 50-er Jahren das Kino-Publikum anlockten, plakativ, beim ersten Hinsehen gefällig und schnell im Strich. Die Farben sind dezent-gedämpft, Braun-und Grau-Töne herrschen vor, warme Erdfarben, aber in den Bildern zu Kälte verwandelt. Beim Betrachten dieser ausdrucks-und körperlosen Männer mußte ich an Politiker-Gesichter denken. Die Assotiation mag nicht gewollt sein, aber: Koethe zeigt Physiognomien und Haltungen (einsamer oder besessener?) Strategen, die die nächsten Schritte, die nächsten Spielzüge abwägen. Er zeigt Masken aus Fleisch und ordentlichen Anzügen. Handelt es sich um die „Helden unserer Zeit“, wie eins der Bilder betitelt ist?

Mein Eindruck ist zwiespältig. Die neueste Sachlichkeit, die aus den Bildern spricht, kann als modisch gefälliges Zitat gelesen und zugleich als nüchtern-zersetzender Blick erfahren werden. Höhepunkt der Ausstellung ist ein Tryptichon von 1987 im Neben

raum der Kunsthalle: Es zeigt einen Mann in Lebensgröße und in drei unterschiedlichen Haltungen. Breitbeinig, frontal dem Betrachter zugewendet, die Gesichtszüge mit leeren Augenhöhlen zu einer brutalen Maske erstarrt. Im zweiten Bild ist er in die Hocke gegangen und kämpft um sein Gleichgewicht. Schließlich sitzt er abgespannt in einem mit rotem Samt ausgeschlagenen Sessel, das Gesicht ist schmaler geworden und offener: Ein königlicher Thron für den Mann, der am Ende ist?

hp

Wolfgang Koethe, Malerei Kunsthalle Bremerhaven, Karlsburg 4, bis zum 12.2.89

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen