: Nazibegriffe im Paß
■ Die Einbürgerungsstelle im Innensenat schreibt heute noch Ortsbezeichnungen der NS-Zeit in Ausweise von Aussiedlern
„Echt deutsch!“ muß die Aussiedler-Familie aus dem polnischen Kepno gedacht haben, als die Einbürgerungsstelle in den vorläufigen Ausweis unter der Rubrik früherer Wohnort „Kempen (Kreis: Wartheland)“ eingetrug. Das „Wartheland“ ist nämlich eine Konstruktion der Nazis.
In Meyers Lexikon wird das „Wartheland“ als ein „nach der Besetzung Polens durch Erlaß Hitlers vom 9.10.1939 errichteter Reichsgau“ bezeichnet. Er umfaßte die Regierungsbezirke Posen, Hohensalza und Litzmannstradt. Die NSDAP und SS hatten dort „weitgehend freie Hand für eine rigorose Politik der 'Eindeutschung‘ und der 'Entpolonisierung‘ mit barbarischen Unterdrückungsmethoden“. Im Volksmund wurde der „Reichsgau Wartheland“ „Warthegau“ genannt.
Der Leiter der Einbürgerungsstelle beim Innensenat, Britz, erläutert, daß in den Ausweisen vorzugsweise eingedeutschte Städte-namen benutzt werden. „Wir sagen ja auch nicht Roma oder Firenze.“ Die Eindeutschung von Kepno in „Kempen“ stamme noch aus der Zeit, als Niederschlesien unter preußischer Hegemonie stand. Wohlbemerkt - es gehörte nie zum eigentlichen Deutschland. Britz bezieht sich auf ein „Gemeindeverzeichnis für die Hauptwohngebiete der Deutschen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland“, 1982 herausgegeben vom „Verlag für Standesamtswesen“. Die Bezeichnung „Wartheland“ wird in dem Verzeichnis jedoch nicht aufgeführt. Immerhin sagt Britz, daß der Begriff „Warthegau“ vermieden werde.
Aber nicht nur in diesem Fall führt das Thema Aussiedler in eine unheimliche Nähe zur Nazivergangenheit. Wer als Aussiedler anerkannt werden will, muß seine Deutschstämmigkeit beweisen. Als Beweismittel gelten Ahnenpässe, Wehrmachtsausweise, SS-Kennkarten oder deutsche Volkslisten irgendeines Großelternteils. Es scheint, daß mit der Aussiedler-Politik die Nazi-Kriterien im nachhinein noch einmal bestätigt werden.
E.K.
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