: Locher für 7.000 Mark
Personalleiter wechselte von MBB zu Daimler / Dort durfte der „Sachbearbeiter“ nur lochen, denn Daimler arbeitet leitende Angestellte auf unterste Ebene ein ■ Von Michael Weisfeld
Ehrlich gesagt, ich habe ihn auf den ersten Blick um seinen 7.000-Marks-Job beneidet.
„Lochen, knicken, abheften“, das habe er in der Personalabteilung von Daimler-Benz machen müssen, erzählte mir Herbert Balde (Name geändert) am Telefon, und Verachtung lag in seiner Stimme.
„Na, wenn schon“, dachte ich
heimlich, manch eine locht und knickt für ein Zehntel dieser Einkünfte. Dennoch liegt Balde jetzt mit Daimler im Streit. Vor dem Arbeitsgericht.
Balde nämlich wollte für sein gutes Gehalt auch was gutes leisten. Bei MBB war der gelernte Personalfachwirt schon jahrelang Abteilungsleiter im Personalwesen, als er sich auf eine Zeitungsannonce beim stolzesten Stern der deutschen Industrie bewarb.
Daimler suchte einen „Fachreferenten“ für seine Personalab
teilung.. In Baldes neuen Arbeitsvertrag stand jedoch nur „Sachbearbeiter“. Balde fragte nach. Nach einer Einarbeitung werde er zum „Fachreferenten“ ernannt, hieß es.
Voller Hoffnung nahm Balde im Oktober 1987 den Locher zur Hand und machte sich sechs Wochen lang über die Papiere her. Dann hatte er es satt und beschwerte sich.
Doch seine Vorgesetzten nahmen übel: Wenn er nicht brav weiter lochen wolle, dann würde man ihn eben rausschmeißen.
Balde wurde zornig und schrieb einen Brief an den Konzernvorstand in Stuttgart.
Fortan galt er bei den Bremer Herren als „Querulant“. Man legte ihm einen „Auflösungsvertrag“ vor. Wenn er den nicht unterschreiben wolle, dann würde man ihn eben hinauswerfen. Balde unterschrieb und arbeitet jetzt bei einer Firma im Rheinland wieder als Personalleiter. Dort wohnt er möbeliert, Frau und Hausbesitz blieben vorerst hier.
Nun verlangt Balde vor dem Arbeitsgericht Schadensersatz für die erlittene Unbill. Daimlers Anwalt ungerührt: „Das ist so üblich, daß die Leute bei uns auf unterster Ebene eingearbeitet werden, ehe sie leitende Posten bekleiden“.
Ob das rechtens ist, das wird erst beim nächsten Gerichtstermin geklärt. Dann sollen Baldes Vorgesetzte in den Zeugenstand.
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